Kategorien
Elektronik Hard- & Software Tech Story

SEAT MapCare: The care is a lie?

Tech Story
[TL;DR]: Ihr habt einen SEAT aus den Jahren ca. 2016 bis 2019, wollt das Navi (nicht Navi Plus!) updaten und wisst nicht, ob ihr MapCare habt oder nicht? Kurze Antwort: ja, ihr hattet (ziemlich sicher) welches, aber es ist (ziemlich sicher) schon lange abgelaufen. Ist aber egal, fragt mal das Internet. Und macht vorher ein Backup eurer SD-Karte.

Wer ein Fahrzeug des VAG-Konzerns, genauer gesagt der Marken VW, Skoda oder SEAT, aus den Baujahren 2015 bis 2019 mit Navigationssystem sein eigen nennt, wird sicher früher oder später darüber gestolpert sein: man kann das jeweils aktuelle Kartenmaterial des Navigationssystems kostenlos von der Website des Fahrzeugherstellers herunterladen und somit sein Navi über die mitgelieferte SD-Karte jederzeit kostenlos auf dem aktuellen Stand halten.

So weit die Theorie, so weit technisch (eigentlich) einfach. ZIP-Datei runterladen, SD-Karte aus dem Auto raus und rein in den PC, Karte formatieren, Inhalt der neuen ZIP-Datei auf die Karte entpacken, und los geht’s.

Wären da nicht die Ideen der Autohersteller (insbesondere: der BWL-Strategen ebendort), die Verwendung beliebiger SD-Karten zu erschweren (Kopierschutz? Service-Fälle wegen ausfallender Billig-SD-Karten minimieren?) und vor allem: den Markt auch in diesem Bereich nochmal in Segmente zu unterteilen.

Zunächst einmal: es gibt für den Bauzeitraum zwischen ca. 2015 und 2019 zwei Arten von Navigationssystemen: das „Standard“- und das „High“-Navi. Das Standard-Navi heißt bei den verschiedenen Herstellern unterschiedlich, zum Beispiel „Discover Media“ (VW), „SEAT Navi“ bzw. „Navi 6P0“ (SEAT) oder „Amundsen“ (Skoda), wird/wurde von Technisat (Preh TechniSat Car Connect GmbH) gefertigt und heißt intern auch „MIB 2 Standard“ oder „MST2“.

Das „High“-Navi heißt je nach Hersteller „Discover Pro“ (VW), „SEAT Navi Plus“ (SEAT), „Columbus“ (Skoda) und wird intern als „MIB 2 High“ oder „MHI2“ bezeichnet. Gefertigt wurden diese Einheiten von Harman Becker Automotive Systems (ehemals Becker).

Und so sieht (sah) es dann in der offiziellen Kommunikation der Marken im Jahr 2017 aus:

  • Für das Kartenmaterial kann im „Standard“-Navi immer nur die mit dem Fahrzeug mitgelieferte SD-Karte oder eine nachgekaufte Original-SD-Karte des Fahrzeugherstellers verwendet werden (Begründung: Nur diese Karten sind getestet und dafür zertifiziert, den hohen thermischen und mechanischen Belastungen im Fahrzeug standzuhalten). Technisch wird dies über eine Abfrage der CID realisiert.
  • Bei Volkswagen: du darfst für „mindestens 3 Jahre“ nach Erstzulassung (das wurde je nach Händler nie näher spezifiziert) von der VW-Homepage nach Registrierung neue Karten runterladen, auf deine Original-SD-Karte laden und ab geht’s.
  • Bei Skoda: das gleiche, nur ist keine Registrierung nötig; dafür muss vor dem Download die Fahrgestellnummer (VIN) eingegeben werden. Offiziell war hier nie von einer Zeitbegrenzung der möglichen Updates die Rede, also im Prinzip sollte es eine „Lifetime“-Karten-Update-Garantie sein
  • Und jetzt kommt SEAT: Hier wurde nochmal differenziert (Stichwort Marktsegmentierung), und zwar je nachdem, ob beim Kauf des Fahrzeugs die Option „SEAT MapCare“ mitbestellt wurde oder nicht. Wenn ja: es ist angeblich so wie oben, also bei VW und Skoda. Update – kein Problem, go for it (für den Download der Karten ist bei SEAT nicht einmal irgendeine Anmeldung oder Eingabe der VIN nötig, die Karten sind auf www.seat.de frei herunterladbar). Wenn nein: keine Chance. Angeblich. (Und wenn du doch das Update auf deine SD-Karte lädst und kein Backup gemacht hast: Sorry, no Navi no more).

So weit die Theorie und das Marketing. Und jetzt wird es interessant: kauf mal einen Gebrauchtwagen, wie in unserem Falle einen SEAT Leon ST FR von 2017, aus zweiter oder dritter Hand und versuche herauszufinden, ob der Erstbesitzer damals „MapCare“ bestellt hatte oder nicht. Spoiler alert: schwierig. Aber auch Spoiler alert: je nach Navi ist es egal, aber der Reihe nach.

Hat man kein SEAT MapCare (und sagen kann einem das angeblich nur ein SEAT Händler, wenn man mit dem Wagen vorfährt und/oder die VIN nennt), so warnt SEAT auf seiner Homepage ausdrücklich davor, die Navigationsdaten herunterzuladen und auf seiner Original-SD-Karte zu überschreiben. Denn dann, so SEAT, seien die Navigationskarten unwiederbringlich zerstört und eine Nutzung im Fahrzeug ist nicht möglich. Nachkaufen von MapCare ist angeblich ebenfalls nicht oder nur zu horrenden Preisen (man munkelte vor Jahren mal was von 500 EUR) möglich.

Immerhin: es wird erklärt, wie man ein Backup von der Navi-SD-Karte macht (trivial – es reicht einfach, die enthaltenen Dateien komplett in einem Ordner auf dem PC oder einer externen Festplatte zu sichern) und im Fehlerfalle diese einfach wieder zurückspielt. Das sollte man auch tunlichst machen!

Wenn man aufpasst und ein Backup hat, kann einem so also nichts passieren.

Beste Voraussetzungen für Experimente, Deep Dive und ein bisschen Spaß am Gerät, oder? ?

Ein kleines bisschen Recherche im Netz und eigenes Probieren mit verschiedenen heruntergeladenen Kartenversionen (offiziell bei den Herstellern möglich und natürlich auch bei einschlägigen Web-Archiven in älteren Versionen vorhanden) zeigt schnell auf: auch ohne MapCare kann man etwas neuere als die Original-Karten durchaus verwenden, nur eben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aha!

Further down the rabbit hole wird man dann fündig und liest: die Tatsache, ob und wie lange (besser gesagt: wie oft bzw. wie viele Versionen in die Zukunft) man seine Karten updaten „darf“, ist über einen sogenannten „Feature Enablement Code“ (FEC) im Infotainmentsystem hinterlegt. Diese Codes sind Teil der vom VAG-Konzern als „Software as a Product“ (was für ein Name, oder?) – abgekürzt „SWaP“ – betitelten Strategie.

Und jetzt komm ich so langsam zur Pointe: da man sich mit sehr wenig Aufwand (langes Drücken der Menütaste und Auswahl der entsprechenden Option im erscheinenden Service-Menü) anzeigen lassen kann, welche FEC-Codes im eigenen Navi aktiviert sind und welche das System potentiell erkennen würde, kann man sich mit etwas Rumfragen im Freundeskreis recht einfach ein Bild machen, was bei welchen Fahrzeugen freigeschaltet ist und was nicht.

Bei SEAT-Fahrzeugen mit Standard-Navi ohne MapCare ist hier z.B. der Code 07400008 freigeschaltet. Laut Recherchen bedeutet dies: es sind 8 Karten-Updates möglich, oder anders gesagt: das Navi lädt Navigationsdaten, deren Versionsnummer maximal um 8 Nummern höher ist als die der auf der Original-SD-Karte hinterlegten.

Moment mal, und wie war das mit dem MapCare? War da nicht genau von „mindestens 3 Jahren“ Updates (bei zwei Updates pro Jahr also ungefähr 8 Updates) die Rede?

Und tatsächlich: vergleicht man das mit den Codes, die bei vergleichbaren Skoda- und VW-Fahrzeugen und auch bei SEAT-Fahrzeugen mit MapCare (aber Standard-Navi) serienmäßig installiert sind, stellt man fest: auch hier ist der entsprechende Code immer mit …008 hinterlegt (die Anfangsziffern unterscheiden sich ggf. bei VW und Skoda).

Und here’s the Point: so weit ich es sehe, gibt es scheinbar bei SEAT-Fahrzeugen mit dem „Standard“-Navi auf dem Gebrauchtmarkt, also „in the Wild“, keinen Unterschied zwischen Fahrzeugen mit und ohne MapCare.

So sieht’s aus. The care is a lie!

(Meine Aussagen basieren auf eigenen Erfahrungswerten und haben keinen rechtsverbindlichen Charakter, sie sollen auch nicht implizieren, dass SEAT zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche unwahren oder irreführenden Aussagen gemacht hätte; ich jedoch war durch die offiziellen SEAT-Informationen durchaus verwirrt).

Vermutlich basiert all die Verwirrung im Internet und auch bei Händlern auf einem großen Missverständnis: SEAT MapCare wurde vor allem für das SEAT Navi Plus angeboten. Hier verhält sich nämlich alles komplett anders. Also wirklich alles. Denn: das Navi hat eine interne Festplatte, auf die die Navigationsdaten kopiert werden, wenn man eine SD-Karte mit Navi-Daten einlegt. Man kann hierfür auch ein beliebige, eigene SD-Karte verwenden; sie wird danach auch nicht mehr benötigt, die Karten werden ja in den internen Speicher kopiert. Auch hier kann man die Daten kostenlos von der offiziellen SEAT-Website herunterladen und dann – sofern man MapCare hat – auf das Navi überspielen.

Aber: hier gibt es wohl tatsächlich Fahrzeuge mit „verlängertem“ oder gar „lebenslangem“ MapCare (der FEC-Code endet in diesem Fall wohl auf …EE und würde somit EEhex = 238dec Updates erlauben). Und, nun ja, anders bekommt man auch gar keine aktuellen Navi-Karten mehr auf diese Systeme. Ohne MapCare hat man hier also (wenn man nicht noch tiefer und dann durchaus auch in nicht ungefährliche Regionen „hinabsteigen“ möchte, siehe weiter unten) keine Chance.

Beim Standard-Navi nach offizieller Sprachregelung ja auch nicht: denn eigentlich ist bei jedem Fahrzeug „in the wild“, wenn man sich mal die Baujahre des MIB2-Navi ansieht, das MapCare (oder auch „nicht-MapCare“…) mit seinen immer 8 erlaubten Updates längst „abgelaufen“.

Was macht man da jetzt nun? Tja, ich will hier keine expliziten Anleitungen geben, denn etwas Experimentierfreude setze ich bei meinen Lesenden schon noch voraus und die profunde Fähigkeit zur Websuche.

Nur so viel: Mit einem normalen „MIB2 Standard“ bekommt man auch alle brandaktuellen Navi-Karten von der SEAT-Homepage (übrigens: die Dateien von SEAT, Skoda und VW sind vollkommen identisch) ans Laufen, sofern sie auf die Karte passen (die alten Karten sind mit 16 GB nämlich mittlerweile zu klein für ganz Europa, aber zum Glück bieten die Hersteller auch unterteilte Länderpakete an) – MapCare hin oder her.

Wichtig ist nur, dass man ein Backup der Original-SD-Karte hat. Ganz wichtig. Man braucht nur eine einzige Datei von der Original-Karte, aber die braucht man. Wie gesagt, MapCare hin oder her. Oder im Klartext: auch wenn ihr damals MapCare gebucht habt, müsst ihr den von mir jetzt mehrfach angedeuteten Trick bzw. Workaround (googelt einfach mal kreativ) mittlerweile anwenden, wenn euer Fahrzeug z.B. von 2017 ist. Ich glaube, mittlerweile ist das bei allen in Frage kommenden Fahrzeugen ausgelaufen.

Da SEAT das Update aber ja genau für Käufer der MapCare-Option bereitstellt, die ohne den Trick mittlerweile dennoch in die Röhre schauen, halte ich die Anwendung des Tricks im Übrigen für völlig legitim und unbedenklich und mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass mittlerweile auch einige Autowerkstätten ihren Kunden dazu geraten haben sollen, genau so zu verfahren.

Wie gesagt: ich spreche vom normalen SEAT Navi und einem technisch völlig harmlosen, auch nicht durch irgendwelche EULAs oder das Urheberrecht ausgeschlossenen (im Sinne von: Reverse Engineering oder Disassemblierung usw.) Vorgang. Es wird einfach nur eine Datei aus dem Downloadpaket nicht mit entpackt und stattdessen die entsprechende Datei genutzt, die sich vorher schon auf der Original-SD-Karte befand. Easy. Safe. (Backup machen!).

Anders sieht es freilich beim SEAT Navi Plus aus, bei dem dieser Trick nicht funktioniert und man bei ausgelaufenem oder nicht vorhandenem MapCare den Weg zum Händler suchen muss, wenn man nicht mit (durchaus möglichen, aber sowohl technisch als auch rechtlich durchaus nicht unbedenklichen) Dingen wie Patchen der Firmware anfangen will (wovon ich aus den genannten Gründen ausdrücklich abrate). Das soll’s dann an dieser Stelle dazu auch gewesen sein…

Habt noch einen schönen Sommer!

Kategorien
Hard- & Software In eigener Sache Kurzmeldung

Neu sortierter Downloadbereich

Kurzmeldung

Der Downloadbereich auf FABIANS WEBWORLD ist jetzt übersichtlicher

Einige Monate nach dem Launch der aktuellen Version dieser Seite bin ich nun endlich dazu gekommen, zumindest einige meiner Freeware-Tools von der alten Archivseite in die neue WordPress-Welt hinüberzuretten und habe dabei den Downloadbereich auch etwas neu sortiert.

Neu ist (seit ein paar Wochen) ein dedizierter Bereich mit Tools, die für Medienschaffende, Content Creator und Broadcaster von Interesse sein könnten: Tools for Broadcasters & Creators.

Einige andere Tools – die besonders anachronistischen und nur noch aus historischem Interesse zu betrachtenden Stücke – finden sich weiterhin im Archiv.

Liebe Grüße
Euer Fabian

Kategorien
Denkanstoß Gesellschaft Musik & Musikwissenschaft Philosophisches

Gerechtigkeit: warum nicht auch hier und jetzt?

Denkanstoß
Ostern ist ein schönes Fest, nicht nur für Christ*innen. Und allen, die es feiern, gönne ich das von Herzen. Doch es gibt ein Problem mit seinem zentralen Narrativ. Ein paar Gedanken eines christlich geprägten, aber immer skeptisch gewesenen Agnostikers zu Gerechtigkeit und Gleichheit – so kurz und knapp, wie ich kann.

Jedes Jahr zu Ostern feiert die christliche Welt – und, wenn wir ehrlich sind, können wir das auf „die westlich-abendländische, christlich geprägte“ Welt erweitern – das Osterfest, das höchste Fest im christlichen Kirchenjahr. Die Diskussion, ob es sich dabei ursprünglich um ein heidnisches Fest zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara handelt, möchte ich hier gar nicht anreißen (Kurzfassung: die Wissenschaft geht heute davon aus, dass es sich bei dieser Erzählung um einen etymologischen Irrtum handelt, der letztlich in der NS-Zeit für Propagandazwecke missbraucht wurde und sich bis heute vor allem im rechten Milieu großer Beliebtheit erfreut – es existiert aber auch die nicht vollständig be- oder widerlegbare Gegenthese, dass die christlichen Kirchen genau diese Sicht der Dinge heute am liebsten verbreiten, um davon „abzulenken“, dass viele christliche Feste schon irgendwie vorher da waren und – was historisch bewiesener Fakt ist – die Daten, an denen wir sie feiern, auf christlichen Konzilen mehr oder weniger per Dekret festgelegt wurden und dabei durchaus durch die Daten vorchristlicher Bräuche beeinflusst wurden).

Worüber ich heute schreiben möchte, ist aber tatsächlich das christliche Ostern. Was dabei im Mittelpunkt steht, ist die Auferstehung Jesu. Doch in Wahrheit geht es nicht „nur“ darum, dass hier jemand, der für „die Sünden der Welt“ (peccata mundi) gestorben ist, nach drei Tagen auferstanden ist. In Wahrheit steht genau eine Sache im Mittelpunkt: das Leben nach dem Tod.

Das Leben nach dem Tod ist eines der zentralen Religionsversprechen des Christentums, und leider auch eines der meistinstrumentalisierten der Institution Kirche, des Systems Glaube. Das ist bekannt, das bekommen wir, wenn wir den Religionsunterricht besuchen, hierzulande spätestens, wenn das Thema Reformation auf dem Lehrplan steht, auch gut vermittelt. Die Geschichte geht ganz einfach – die „Glaubensautorität“, in dem Fall die (katholische) Kirche, verspricht dir: lebst du „hier unten“ immer schön artig, fromm und sündenfrei (oder zahlst entsprechend für den ein oder anderen Ablassbrief), dann profitierst du nach dem Tod vom ewigen Leben in Frieden und Gerechtigkeit – im „Himmel“.

Lässt sich halbwegs gut mit Aussagen aus der „heiligen Schrift“ begründen und funktioniert für eine Kirchenobrigkeit, die davon profitiert, dass ihre „Schäfchen“ schön das machen, was sie sollen (und dann auch gerne mal klingende Münze für entsprechende Verfehlungen springen lassen), jahrhundertelang erschreckend gut.

So weit, so bekannt. Es gibt aber einen zweiten Aspekt, der bei der Betrachtung dieses ganzen Auferstehungs- und Leben-nach-dem-Tod-Narrativs regelmäßig unter den Tisch fällt: der (durchaus auch von der Kirche schon jahrhundertelang betonte) Gedanke: „Vor Gott sind alle Menschen gleich“.

„Vor Gott“ – das heißt übersetzt: nach dem Tod. Dann nämlich, wenn „gerichtet“ werden soll. Genau dann soll Gerechtigkeit herrschen. Nun ja, zumindest sollen alle nach den gleichen Maßstäben – ob die nun sinnvoll sind oder nicht – behandelt werden.

Und genau da spielt eben ein zweiter Aspekt der kirchlich-religiösen Unterdrückung (neben dem „lebe so, wie wir das sagen, sonst ist eh nix mit Himmel“) hinein: dieses Versprechen, dass ja letztlich, nach dem Tod, in jedem Falle „Gerechtigkeit“ herrschen soll. Und dieses Versprechen, so mein Eindruck, soll nur vordergründig Trost und Zuversicht spenden (im Übrigen ist hier, wie so oft im Zusammenspiel von Glaube und religiöser Institution, der Grat zwischen „Trost“ und „Vertrösten“ sehr, sehr schmal).

„Hey, nach dem Tod, da sind ja eh alle gleich, also nerv uns Obere jetzt mal zu Lebzeiten nicht so mit Gerechtigkeit, lieber frommer Christ!“

In erster Linie soll dieses Vertrösten auf die große Gerechtigkeit nach dem Tod auch eine Rechtfertigung, eine Absolution dafür sein, dass all die Privilegierten, Mächtigen, Oberen (kirchlich wie weltlich) zu Lebzeiten jahrtausendelang und bis heute von ihren Privilegien, ihrer Macht, ihrem Reichtum profitieren.

Motto: stimmt schon, „der Papst lebt herrlich in der Welt“, Kaiser und König auch – aber hey, nach dem Tod, da sind ja eh alle gleich, also nerv uns Obere jetzt mal zu Lebzeiten nicht so mit Gerechtigkeit, lieber frommer Christ.

Die Kirche als Institution und auch ihre Predigenden sind und waren mit Segenswünschen, salbungsvollen Worten für Verstorbene, Osterfrieden und so weiter immer schnell dabei. Was aber viel wichtiger wäre: können wir nicht einfach alle gemeinsam alles daran setzen, dass hier und jetzt, auf unserem Planeten, zwischen uns Menschen, die wir darauf leben, endlich mal Gerechtigkeit einkehrt, eine wirkliche Gleichbehandlung, Ende von Ausgrenzung von Minderheiten, Frieden zwischen Völkern und Gruppierungen jedweder Art? Wäre das nicht das oberste Ziel?

Für mich ist das ein – und beileibe nicht das einzige – Problem mit der ach so schönen Auferstehungsgeschichte. Beim Thema Religionskritik möchte ich gar nicht vom Hundertsten ins Tausendste kommen und ganz bestimmt niemandem das Osterfest madig machen, beileibe nicht!

Ich finde nur, über diesen Aspekt muss gesprochen werden. Wie es im Übrigen Kurt Marti als einer der Wenigen recht prominent in seinem Gedicht „Anderes Osterlied“ schon im Jahr 1969 getan hat, ein Gedicht, dass dann nur ein Jahr später Peter Janssens – sorry, trotz Sacro-Pop – kongenial vertonte (auf die Melodie des Osterhymnus „Christ ist erstanden“).

Für das Stück wandelte Janssens den Text leicht vom Original Martis ab, und so beginnt es mit diesen so treffenden Zeilen – zusammen mit dem stampfenden Beat in Moll eher an ein sozialistisches Arbeiterkampflied erinnernd als an einen Osterhymnus:

Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer.

Peter Janssens in Anlehnung an Kurt Marti in: „Anderes Osterlied“, 1970

Ich finde: wenn wir das mit der Gerechtigkeit auch mal vor dem Tod hinbekämen, können wir von mir aus gerne darauf pfeifen, was nach dem Tod ist – aber auch gerne daran glauben, dass die Gerechtigkeit da weitergeht. (Pro-Tip: schon mal von Karma gehört? Auch kein übles Konzept!)

Aber bitte, bei allem: das Hier und Jetzt ist es, das Gerechtigkeit am meisten bräuchte. Und am meisten davon profitieren würde. Sozial wie politisch. Zwischen Geschlechtern aller Art. Zwischen gesellschaftlichen „Schichten“. Zwischen Mensch und Natur.

Lasst uns daran arbeiten.

Frohe Ostern!

Kategorien
Hard- & Software Rezensionen & Reviews Tech Story

Wie Windows 11 auch Late-Adopter enttäuscht

„Ein vermutlich ganz neues Team an Entwicklern muss nun Features neu implementieren, von denen es selbst keine Ahnung hat, dass es sie mal gab – man scheint jedenfalls mit den ‚Senior-Devs‘ nicht wirklich viel gesprochen zu haben, genausowenig wie mit Power-Usern.“

Was Technik angeht, bin ich ja jemand, der gerne ausprobiert, experimentiert und erforscht. Das heißt nicht unbedingt, dass ich mich als Early Adopter bezeichnen würde: größere Neuerungen, gerade Betriebssysteme oder Hardware-Architekturen, muss ich nicht sofort haben, nur weil sie neu sind. Ausprobiert werden sie bei mir dennoch, aber in sicheren „Sandboxen“: Als VM, auf echter Hardware mit einem Image-Backup des vorigen Systems in der Hinterhand, oder einfach auf einem separaten Testsystem. Und da dauert es dann meistens keine 10 Minuten und ich finde die ersten Klopper, wenn es welche gibt. Bei Windows 11 musste ich nicht lange suchen, Beispiel gefällig?

Bittesehr, schaut euch die Taskleiste an:

Taskleistenanimation: Statischer Fenstertitel
Taskleistenanimation: Fenstertitel nach Verlängerung abgeschnitten

Paint setzt den Fenstertitel direkt beim Erstellen des Fensters („Unbenannt – Paint“) – hier klappt alles. Der neue Editor jedoch (und das machen viele, viele Programme so, Firefox gehört auch dazu) setzt nach Erstellen des Fensters den Fenstertitel nochmals, hier von „Editor“ auf „Unbenannt – Editor“.

Die Länge der Task-Schaltfläche wird aber nur beim Start einmal berechnet und „verlängert“ sich dann nicht mehr. Das ist doch absoluter Pfusch, oder?

Aber – der Reihe nach.

Tatsächlich gehöre ich vermutlich also sogar eher zu den „Late Adoptern“: bei Hardware muss bei mir erst dann etwas Neues her, wenn das Alte die Anforderungen nicht mehr erfüllen kann – sei es Smartphone oder der klassische PC. Bei Software setze ich gerne auf abgehangene, gut getestete Entwicklungszweige als auf Rolling Releases – was nicht heißt, dass ich nicht neueste Distributionen gerne teste, aber mein „Haupt-Linux“ wird immer eine LTS-Version sein.

Es mag an meinem Beruf liegen, aber für mich ist Technik genau dann gut, wenn sie funktioniert und das vor allem zuverlässig, betriebssicher und lange. Wenig fasziniert mich so, wie alte, gut durchdachte und bei guter Wartung auch nach Dekaden noch funktionierende Technik.

„Late Adopting“ kann manchmal viel Frust sparen

Um bei Betriebssystemen zu bleiben: wichtig ist mir, dass bestehende Workflows nicht ohne Not „brechen“ und dass es in der Software keine neuen Automatismen oder geänderte Verhaltensweisen gibt, die potentiell mit meinen Daten irgendetwas tun, was ich nicht kontrollieren kann, oder bei denen ich einfach nicht weiß, was passiert. Ich versuche also immer zunächst, das Verhalten neuer Software- oder Betriebssystemversionen zu erforschen und zu verstehen. Gelingt das und bringt mir die neue Version einen gewissen Benefit, steige ich aber gerne um – mit dem Nebeneffekt, dass ich dann vielleicht auch gleich die „x.1“-Version habe, die die ersten Kinderkrankheiten der neuen Hauptversion ausbügelt.

So habe ich es auch in meiner eigenen „Windows-Historie“ immer gehalten. Wo es mir sinnvoll schien, bin ich umgestiegen – und hey, ich habe sogar dem vielgescholtenen Windows ME eine Chance gegeben und es – da es für mich ausnehmend gut funktioniert hat und gegenüber Windows 98 damals durchaus Vorteile hatte – jahrelang genutzt! ?

  • Windows 95 war das erste Windows mit einem „echten“ Desktop, einer Taskleiste, einem Startmenü, Verknüpfungen, langen Dateinamen usw. – es bildete jahrelang immer noch den Maßstab für alles, was danach kam
  • Die Installation des „Windows Desktop Update“ mit Internet Explorer 4 unter Windows 95, von vielen damals wegen des Ressourcenverbrauchs kritisch beäugt, war für mich absolut zukunftsweisend und führte dazu, dass ich Windows 98 (was eigentlich nicht viel mehr war als ein Windows 95 mit vorinstalliertem IE4 und später IE5) komplett übersprungen habe
  • Das verpönte Windows ME hatte später einen entscheidenden Vorteil, der heute gerne vergessen wird: es war das erste Windows, das „out of the box“ einen universellen Treiber für USB-Massenspeichergeräte drin hatte. Da dies die Zeit der aufkommenden USB-Sticks war, passte das wie die Faust aufs Auge. Bei Windows 98 musste man nämlich noch den jeweils passenden Treiber von der mitgelieferten CD (meist im Mini-Format, erinnert sich noch jemand?) installieren. Von Microsoft selbst gab es nie ein offizielles Update mit einem universellen USB-Mass-Storage-Treiber, erst später, als Windows 98 für die Retro-Community interessant wurde, verbreitete sich ein solcher auf diversen Kanälen.
  • Danach kam bei mir nach einer längeren Testphase, die mich vollends überzeugt hat, das damals wegen der „bonbonartigen“ Optik ebenfalls unter Nerds eher belächelte Windows XP auf den Rechner und blieb dort dann für satte 15 Jahre. Denn XP war der große Wurf von Microsoft: ein „rock-solid“ OS mit echtem NT-Kernel, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte, und das für Consumer! Auch auf meinem damals eigentlich mit Windows ME ausgelieferten Rechner vollkommen problemlos lauffähig, und plötzlich spielte man bei „den Großen“ mit: NTFS-Dateisystem, professionelles Networking, Benutzerrechte und alles, was dazugehört. Und ich war von Anfang an mit der neuen Oberfläche fein (natürlich auf „Silver“ und später dann im schwarz-orangenen „Zune“-Design). Nein, ich gehörte nicht zu den eingefleischten Windows-95/-2000-Ästheten, die Windows XP all die Jahre im „Windows klassisch“-Design betrieben…
  • Als Windows 7 kam, musste sowieso gerade ein neuer Rechner her und ich war sofort damit zufrieden. Man konnte gewisse Dinge so einstellen, dass das Verhalten die bisherigen Workflows gut abgebildet hat und vieles war besser, schneller, schöner. Die Gruppierung auf der Taskleiste konnte abgeschaltet werden und diese auf „kleine Symbole“ gestellt werden – perfekt. Nebeneffekt der neuen Taskleiste war, dass man per Mittelklick auf eine Fensterschaltfläche z.B. ein neues Explorer-Fenster aufmachen konnte – absoluter Zeitsparer!
  • Als Windows 10 kam, hat es auch hier nicht lang gedauert: ich glaube, bereits 2016 war ich überzeugter Windows-10-Nutzer und habe Windows 7 sehr schnell den Rücken gekehrt – anders als viele andere eingefleischte Windows-Nerds. Die kantige, geradlinige, minimalistische und farblich reduzierte Oberfläche von Windows 10 ist in meinen Augen immer noch so ziemlich das schönste, was Microsoft in Sachen GUI-Design je hinbekommen hat.

Dass ich hier Windows Vista und Windows 8 geflissentlich übersprungen habe, bedeutet nun aber nicht, dass ich diese Systeme nicht zumindest probiert hätte. Ergebnis… brauchen wir nicht drüber reden.

Es gab in den 90-er-Jahren mal ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Windows 95: gesehen, gelacht, gelöscht“, getragen meist von Hardcore-DOS- oder Linux-Fans in ihren Informatik-Fachschaften…

Um mir nun ein Urteil zu Windows 11 zu bilden und herauszufinden, ob es (wie schon Windows Vista und Windows 8) einer Neuauflage dieses Shirts würdig wäre, musste es also früher oder später auch mal auf einem meiner Systeme dran glauben. Und so habe ich es – tatsächlich auf meinem Haupt-PC, natürlich mit Image der vorigen Installation – installiert und für ein paar Wochen wirklich produktiv genutzt.

Nach allem, was ich vorher bei kurzem Antesten auf anderen PCs von Windows 11 gesehen hatte, war die neue Oberfläche für mich alles andere als erstrebenswert und auch nicht ästhetisch. Die runden Fenster, die knalligen Farben, die neue bunte Icon-Designsprache – all das spricht mich nicht an. Dass ich so lange gewartet habe, liegt aber auch daran, dass ich Microsoft die Chance geben wollte, nachzubessern, was in den ersten Versionen lauthals kritisiert wurde: vor allem dass man das Startmenü wieder nach links packen und die Fenster in der Taskleiste wieder entgruppieren kann. Das ist ja nun jetzt wieder der Fall.

Windows 11 im Nerdkompatibilitäts-Test

Zunächst mal: es ist nicht alles schlecht, das meiste ist ja auch gar nicht so anders. Mit den richtigen Registry-Tricks bekommt man vieles auch wieder so hin, wie man es als Power-User gewohnt ist und braucht.

Was ich geändert habe:
(Nutzung der .reg-Dateien auf eigene Gefahr)

  • Startmenü / Taskleiste auf linksbündig eingestellt
  • Das klassische Notepad (notepad.exe) wieder mit Textdateien verknüpft (.reg-Datei / .reg-Datei für Undo) anstelle des neuen WindowsAppSDK-basierten, zwar nicht schlecht gemachten, aber prinzipbedingt langsameren Notepad. Ohne den Registry-Hack geht’s übrigens nicht, die Shell erlaubt das Verknüpfen mit notepad.exe sonst nicht und außerdem leitet ein Aufruf von notepad.exe immer auf die neue App um. No-Go im neuen Notepad war für mich übrigens vor allem das nicht abschaltbare Smooth-Scrolling, das bei mir zu Unwohlsein führt. Bei mir muss eine Raste des Mausrads „hart“ um 3 Zeilen scrollen ohne irgendwelche Animationen.
  • Das furchtbar sinnlose, funktional beschnittene neue Explorer-Kontextmenü abgeschaltet und durch das klassische Kontextmenü ersetzt, das man ansosten nur durch Gedrückthalten von Shift oder durch Klick auf „Mehr Optionen“ im Kontextmenü erhält (.reg-Datei / .reg-Datei für Undo)
  • … und diverse weitere GUI-Anpassungen, für die man glücklicherweise keine Registry-Hacks braucht (z.B. den „kompakten Ansichtsmodus“ im Explorer).

Es gibt dann nur noch leichte Unterschiede in der Optik der Shell, die mehr oder weniger Geschmackssache sind, und an die man sich gewöhnen kann.

Einige Dinge aber gibt es, an die ich mich nicht gewöhnen werde, kann oder will, und die für mich auch den Ausschlag geben, Windows 11 vorerst nicht weiter zu benutzen, bis diese gefixt sind. Hauptsächlich geht’s wirklich um die Taskleiste.

Die Taskleiste: hier liegt der Hund begraben

Diese wurde von Grund auf neu entwickelt, so wie es aussieht ohne jemals den alten Code angeschaut zu haben. Wo wir wieder beim Thema Revolution oder Evolution sind. Denn das Verhalten der Taskleiste wurde in den letzten Versionen von Windows seit Windows 95 eigentlich stetig verbessert:

  • Was immer schon ging (seit Windows 95): die Taskleiste lässt sich vergrößern und verkleinern und an alle 4 Bildschirmränder ziehen
  • Ebenfalls von Anfang an dabei war das Feature, ein Objekt auf die Taskleisten-Schaltfläche eines gerade nicht sichtbaren (z.B. verdeckten oder minimierten) Fensters zu ziehen, dort kurz zu verweilen, woraufhin das Fenster automatisch in den Vordergrund geholt wird, und das Objekt dann in dem gewünschten Fenster abzulegen
  • Seit Windows 95C bzw. Windows 95 mit installiertem Internet Explorer 4 mit „Windows Desktop Update“ kann man durch Klick auf die Schaltfläche des aktiven Fensters in der Taskleiste dieses minimieren, und so quasi „togglen“, ob ein Fenster sichtbar sein soll oder nicht
  • Ebenfalls seit dieser Zeit gibt es die Möglichkeit, Schnellstartverknüpfungen in einem eigenen Symbolleistenbereich zur Taskleiste hinzuzufügen
  • Seit Windows XP gibt es die Möglichkeit der Gruppierung von gleichartigen Fenstern – immer aber mit der Möglichkeit, dies auch abzuschalten
  • Seit Windows 7 ist es möglich, durch Mittelklick auf ein offenes Fenster in der Taskleiste ein zweites gleichartiges Fenster (z.B. Windows-Explorer) zu öffnen

Und all das wurde nun über den Haufen geschmissen und ein vermutlich ganz neues Team an Entwicklern muss nun Features neu implementieren, von denen es selbst keine Ahnung hat, dass es sie mal gab – man scheint jedenfalls mit den „Senior-Devs“ nicht wirklich viel gesprochen zu haben, genausowenig wie mit Power-Usern.

Leider gibt es daher folgende Bugs bzw. fehlenden Funktionen, die für mich No-Gos darstellen:

  • Die Taskleiste lässt sich nicht auf die seit Windows 95 bekannte, ursprüngliche Größe (16×16-Icons) verkleinern. Man muss mit den seit Windows 7 etablierten riesigen Symbolen vorlieb nehmen
  • Das System-Tray kann nicht mehr so eingestellt werden, dass immer alle Symbole angezeigt werden – also auch neu hinzugekommene Symbole neu installierter Programme. Zwar war es schon seit Windows XP so, dass standardmäßig nur die Symbole angezeigt wurden, die man entsprechend konfiguriert hat – alle anderen wurden in ein „Überhangmenü“ mit einem Pfeil-Icon verbannt. Bis Windows 10 jedoch gab es eine Option, dieses Verhalten abzuschalten. Als Entwickler, der Programme testet, die solche Icons anlegen und entfernen, ist es wichtig, dass man immer sieht, ob das Erzeugen eines solchen Tray-Icons nun funktioniert hat oder nicht, oder ob ein entsprechendes Programm noch läuft oder nicht.
  • Immerhin kann seit Windows 11 22H2 die Taskleiste so eingestellt werden, dass die Fenster nicht mehr gruppiert werden und auch die Titel der Fenster angezeigt werden. Dies ist jedoch miserabel implementiert: Die Fensterschaltflächen haben keine einheitliche Größe mehr, sondern werden so breit wie ihr Titel dargestellt – mit einer Maximallänge. Allein das bringt schon optische Unruhe herein. Schlimmer aber: Fenster, die zur Laufzeit ihren Titel verändern, wachsen oder schrumpfen somit unvermittelt, was auch zu potentiellen Fehl-Klicks führen kann. Und des nicht genug: es ist auch noch fehlerhaft implementiert. Verkürzt ein Fenster zur Laufzeit seinen Titel, schrumpft die Schaltfläche. Verlängert es den Titel, wird die Schaltfläche aber nicht mehr länger. Der Text erscheint abgeschnitten. Besonders blöd ist das bei Programmen, die ihren Fenstertitel erst einige Millisekunden nach dem Start setzen, weil sie z.B. ein Default-Dokument nachladen o.ä. – hier wird u.U. gar kein Titel angezeigt, weil beim Erstellen des Fensters dieser kurzzeitig leer war. Die Illustrationen zu Beginn des Artikels verdeutlichen das Problem.
  • Drag-and-Drop auf die Taskleiste – also auch der Mechanismus, um Dokumente zwischen Fenstern, die minimiert sind, auszutauschen – funktioniert nicht mehr, wenn UAC komplett deaktiviert ist. Das liegt daran, dass die Taskleiste das WinAppSDK verwendet, welches Probleme mit Drag&Drop mit erhöhten Benutzerrechten hat. Ich möchte nicht darüber diskutieren, ob es gut ist, UAC zu deaktivieren – es gibt Situationen bzw. Arbeitsumgebungen, wo es nötig ist und unter Windows 10 war ein Arbeiten damit problemlos möglich, auch mit allen Interaktionen auf der Taskleiste.
  • Die Lautstärkeregelung zeigt keinen numerischen Wert mehr an und der ganze „Infobereich“ rechts unten wirkt optisch unaufgeräumt.

Es ist nicht alles schlecht

An alles andere, auch das viel schlechtere Startmenü (hey, die Kacheln von Windows 10 fand ich echt nicht schlecht, konnten durchaus informativ sein!), der aufgeblasene Explorer, die bunten Icons, die etwas komisch abgerundeten Titelleisten usw. sind Dinge, mit denen ich leben kann und an die ich mich sogar gewöhnen könnte. Es gibt sogar einen Punkt, den ich bei Windows 11 schöner finde: die neuen Fenster-Minimier/-Maximier-Animationen find ich sehr gut gelungen und viel dynamischer als bei Windows 10. Und die farbliche Hinterlegung der Desktop-Icons bei Mouse-Over (nur heller, statt ins Bläuliche verfärbt) ist auch schöner geworden.

Und immer wieder: die Taskleiste – ohne sie ist alles nichts

Aber die furchtbare Implementierung der Taskleiste ist es, die mich wirklich absolut davon abhält, Windows 11 produktiv zu nutzen, jedenfalls, solange Microsoft das nicht fixt. Ich verstehe nicht, wie so ein existentieller, zentraler Teil der Benutzeroberfläche so ohne Not über den Haufen geschmissen und wirklich halbherzig neuimplementiert werden kann, und das ganze dann auch noch durch die Qualitätskontrolle kommen kann. Das Windows App SDK, auf dem die neue Taskleiste beruht, ist – wie der Name schon sagt – der aktuelle Weg, schnell schöne Apps für Windows zu bauen. Das neue Terminal ist ein tolles Beispiel dafür. Aber die Taskleiste ist nun einmal keine App, sondern ein zentraler Bestandteil der Benutzeroberfläche. Die soll bitteschön eine native Win32/Win64-Anwendung bleiben, die schnell und effizient ist – sonst nix.

Ich werde jedenfalls jetzt erstmal wieder umsteigen und Windows 10 so lange nutzen, wie es sicherheitstechnisch irgendwie geht (ich tippe darauf, dass Microsoft wegen der nach wie vor riesigen Verbreitung von Windows 10 bei wirklich kritischen Sachen auch nach Ende 2025 noch Updates herausgeben wird – auch an die Öffentlichkeit. Wegen Verträgen mit Großkunden mit LTSC-Versionen müssen sie diese bis mindestens Ende 2029 ohnehin noch erstellen). Aber ich habe, wie viele andere, ein Auge darauf, ob Microsoft sich irgendwann der Versäumnisse in Windows 11 doch noch annimmt. Dann können wir weiter reden.

Oder – ja, oder es gibt bis dahin doch ein Windows 12, das genau diese Fehler in Angriff nimmt. Dann wäre die Welt wieder in Ordnung: die Regel, dass jede zweite Major-Version von Windows unbenutzbar ist, hätte sich wieder erfüllt. Und für Windows 11 könnte das T-Shirt gedruckt werden: „Windows 11 – gesehen, gelacht, gelöscht“.

Kategorien
Elektronik Hard- & Software In eigener Sache Kurzmeldung Medien Projekte

Videotext online: ttxweb im Live-Betrieb bei der ARD

Kurzmeldung

Wie vielleicht einige von euch wissen, faszinieren mich Technik und Geschichte des Teletexts, hierzulande eher bekannt als Videotext, schon seit langem. Die damals wie heute ingenieurstechnisch höchst clevere Mischung aus digitaler Codierung und analoger Fernsehübertragung, insbesondere die Art und Weise, wie das Signal aufgebaut ist und wie einfach es dadurch auf Hardware der damaligen Zeit decodiert werden kann, finde ich bis heute großartig. Auch wenn ich durchaus immer mal wieder meine Zweifel hatte, ob seine schiere Existenz heute noch gerechtfertigt ist, bin ich doch sehr dafür, ihn zu pflegen und gut zu behandeln, solange wir ihn noch haben. ;)

Wie begann sie also, meine „Teletext-Geschichte“? Da meine Großeltern bereits seit den späten 80er-Jahren einen Fernseher mit Videotext-Decoder hatten (im Gegensatz zu meinen Eltern) und ich dort regelmäßig den „Witz des Tages“ (im ARD/ZDF-Videotext auf Tafel 571…) lesen durfte, gehörte dieses Medium für mich von Kindesbeinen an dazu. Wie es genau funktionierte, verstand ich natürlich erst viel später.

Als dann irgendwann Level 2.5-Teletext aufkam und spätere Fernsehgeräte, mit denen ich in der Familie in Berührung kam, tatsächlich diesen Standard unterstützten (Wow! Plötzlich richtige Logos, wie beim ZDF, und eine ungeahnte Farbenvielfalt im Videotext!…), wollte ich irgendwann wirklich wissen, wie das alles funktioniert, und begann, mir im Internet – zum Glück wurde das damals gerade möglich – die entsprechenden Standards zusammenzusuchen und mich einzulesen.

Im Jahr 2011 habe ich mich dann in einem Blogbeitrag und einem zugehörigen, längeren Artikel mit den technischen Hintergründen des Standards beschäftigt und habe versucht, diesen in möglichst verständlichen Worten zu erklären.

Da ich mich in der Folgezeit selbst auch immer mehr mit (Retro-)Hardware beschäftigt habe, wurde mir seitdem mehr und mehr klar, mit welch einfachen Logikbauteilen eine Dekodierung eines Teletext-Signals möglich ist. Wie wenig „State“ ein solcher Decoder hat. Dass es letztlich nur ein paar Bytes RAM, ein paar (Schiebe)register, ein paar Logikbausteine, einen Character Generator mit CG-ROM und ein bisschen Videoelektronik braucht, um einen Teletext-Decoder zu realisieren. Theoretisch alles mit diskreten Bauteilen machbar (bis auf den Seiten-RAM und das CGROM vielleicht).

Irgendwann hatte ich seitdem immer Lust, so etwas selber – komplett diskret – nachzubauen. Allein, es fehlte mir die Zeit und die Muße. Später sah ich dann, dass das schon andere getan haben – in VHDL, was eine großartige Idee ist.

In meinem Beruf ergab sich dann irgendwann die Herausforderung, die Web-Darstellung des hr-texts, des Videotexts des Hessischen Rundfunks, technisch auf neue Beine zu stellen, wenn auch zunächst als vages Ziel, ohne konkreten Auftrag oder Deadline.

Meine Idee, einen eigenen Videotext-Decoder – zumindest Seiten-Decoder, ohne die Empfangs- und Auswahllogik, die ja beim Decodieren von fertigen, als Datei vorliegenden Seiten nicht nötig ist – zu schreiben, in dem Fall mit Ausgabe als HTML, nahm hierdurch neue Gestalt an, und ich programmierte „nebenher“ eine kleine Skriptsammlung in PHP, die genau das tat: ttxweb.

ttxweb kann Videotext-Daten aus einer Datei (momentan im EP1-Dateiformat, eine Anpassung an alle anderen Dateiformate, die Level 1.0/1.5-Teletext-Daten enthalten, ist aber sehr leicht machbar) lesen und in standardkonformes HTML wandeln, das in allen aktuellen Browsern aussieht wie eine „echte“ Teletextseite.

Die Besonderheit – zumindest für mich – daran ist, dass die Dekodierung genauso „stateless“ und ohne separaten „Framebuffer“ für die Displayattribute erfolgt, wie dies ein uralter Teletext-Decoder der allerersten Generation auch getan hätte.

Sprich: die Steuerzeichen werden im Zeitpunkt ihres Auftretens in Anweisungen für die HTML-Ausgabe übersetzt, anstatt dass für jede Zeichenzelle eine Speicherzelle für die Attribute (Vorder-/Hintergrundfarbe, Blinken etc.) vorgehalten würde, wie es z.B. bei einer VGA-Grafikkarte im Textmodus der Fall wäre.

Genau so arbeitet auch ein ursprünglicher Teletext-Decoder ohne Mehr-Seiten-Speicher: letztlich werden die Attribute wie Farbe, Blinken usw. in einfachen Registern vorgehalten und während jeder Rasterzeile während des Auslesens des Seitenspeichers und des CGROM in Echtzeit geändert, sobald im Seitenspeicher an der jeweiligen Spalte ein entsprechendes Steuerzeichen auftritt.

Mit dem Aufkommen von Level 1.5 (erweiterter Zeichensatz) bzw. Level 2.5 (erweiterte Farbpalette und dynamisch definierbare Zeichen) war ein solches Vorgehen dann nicht mehr möglich. Die erweiterten Zeichen bei Level 1.5 werden beispielsweise durch ein zusätzlich übertragenes Packet (X/26), also einer „unsichtbaren“ 26. Zeile, definiert, welche dem Decoder sagt, in welcher Zeile und welcher Spalte er ein Zeichen ersetzen soll. Hier ist definitiv Software nötig, um die entsprechenden Steuer-„Triplets“ zu durchlaufen.

Mein Decoder unterstützt – in auf die in europäischen Sprachen üblichen Sonderzeichen begrenztem Maße – Level 1.5, indem vor der Ausgabe die X/26-Triplets prozessiert und die betreffenden Zeichen durch die korrekten Unicode-HTML-Entitäten ersetzt werden.

Nun – wie ging die Geschichte aus? Ich habe das Ganze Open Source gemacht und auf GitHub gestellt und insbesondere der ARD und allen anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausdrücklich erlaubt, den Code zu verwenden (tatsächlich ist er auch in einem separaten Repository im ARD-internen GitLab eingecheckt, wo noch ein paar Konfigurations-Besonderheiten mitgepflegt werden, die Codebasis ist aber die gleiche). Die Lösung basiert auf zeitgemäßen Webtechnologien, ist mobil-tauglich bzw. responsiv, unterstützt Updates in Echtzeit via XHR, zeigt alle denkbaren Textattribute (inkl. doppelter Höhe/Breite/Größe und Blinken) an, unterstützt, wie gesagt, Level 1.5-Zeichen (auch das „gefürchtete“ @-Zeichen in allen möglichen Codiervarianten) und liest EP1-Dateien sowohl ohne als auch mit X/26-Erweiterungen aus, letztere in mehreren Geschmacksrichtungen (Softel Flair und Softel TAP).

Als erster Sender der ARD nutzt der Hessische Rundfunk nun die Lösung für den hr-text – und spart damit jedes Jahr bares Geld, da nicht mehr auf einen externen Dienstleister für die Web-Darstellung zurückgegriffen werden muss. Das kommt allen Beitragszahlenden zugute. Die neue Lösung läuft auf einem schlanken Webserver (mehr braucht’s ja nicht) als VM in der „ARD-Cloud“ und kann von allen gern hier bewundert werden:

https://hr-text.hr-fernsehen.de

Und ja, ich geb’s zu: ein bisschen stolz bin ich darauf schon… ;-)

Falls irgendwo Interesse an einer Implementierung „in the wild“ bestehen sollte, zögert nicht, mich zu kontaktieren, falls es Fragen zum Deployment geben sollte.

Liebe Grüße und einen guten Rutsch,
Euer Fabian