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Panasonic RQ-2102: Legenden leben länger (als gedacht)

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Der Retro-Hype um die Musik-Cassette ist zwar schon wieder etwas abgeflaut, aber es ist nie zu spät, einem faszinierenden Stück Technik eine Story zu widmen. Diese hier brennt mir jedenfalls schon länger auf den Nägeln

Es muss so um das Jahr 1993 gewesen sein, ich also so 6 oder 7 Jahre alt, da schenkten mir meine Eltern zu Weihnachten einen kleinen, tragbaren Mono-Cassettenrecorder. Ich glaube nicht, dass die Auswahl des Modells aufgrund vorangegangener langer und intensiver Recherchen erfolgte – sondern eher nach dem, was beim Saturn damals so im Regal stand. Die Hauptmotivation für den Kauf war vermutlich ohnehin ganz einfach, dass ich meine Kindercassetten nicht mehr ständig im Wohnzimmer auf dem Grundig-Tapedeck der heimischen Stereoanlage hören und damit die ganze Familie mitunterhalten möge… – aber egal, ob sie damals wussten, was für einen technischen Volltreffer sie mit der Auswahl des Modells gelandet haben, oder nicht: Fakt ist, dass ich seit diesem Tage sehr (!) stolzer Besitzer eines Panasonic RQ-2102 war.

Kindheitserinnerungen

Was habe ich dieses Gerät geliebt! Was habe ich dieses Gerät unglaublich intensiv benutzt! Und nicht nur zum allabendlichen Hören meiner (und vieler, vieler aus der öffentlichen Bücherei ausgeliehenen) Hörspielcassetten, sondern auch ausgiebig zum Aufnehmen eigener Hörspiele, Reportagen, Geräuscheffekte und, und, und. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich damals mit meinem Opa und meinem kleinen Bruder durch die Straßen in der Nähe des Frankfurter Ostbahnhofs gestreift bin und eine Reportage mit Geräuschen des Güterbahnhofs, Kommentaren zu allem was wir sahen und kurzen Interviews zwischen meinem Opa und mir aufgenommen habe. Die Cassette, beschriftet mit dem wunderschönen Titel „Sachen von der Stadt“ habe ich heute noch (natürlich auch digitalisiert und damit gesichert). Oder wie ich, sehr zum Leidwesen meiner Eltern, ein Hörspiel mit einem aufziehenden Gewitter produziert habe, bei dem ich das „Gewitter“ durch heftiges Schlagen gegen unseren Wohnzimmerheizkörper, aufgenommen mit gleichzeitig gedrückter Vorspultaste, „täuschend echt“ simuliert habe…

Ja, dieses Gerät weckt Kindheitserinnerungen!

Und das Gerät an sich ist eine Legende. Im (deutschen) Panasonic-Katalog tauchte es zum ersten Mal 1990 auf, zum letzten Mal um das Jahr 2010. Es wurde also über 20 Jahre hinweg nahezu unverändert verkauft! Wer das als Indiz für die Zuverlässigkeit dieses Geräts sieht, wird Recht behalten.

Deshalb folgt hier auch kein Trauergesang um meinen alten, leider über die Jahre „kaputtgenudelten“ oder „totgeliebten“ Cassettenrecorder: denn nichts davon trifft zu! Das Gerät spielt auch heute, 2025, noch quasi wie am ersten Tag. Auch die Hände meines damals 3-jährigen Sohnes (mittlerweile hat er ein anderes Gerät, dazu später mehr…) hat der RQ-2102 unbeschadet überlebt.

Weil? Nun ja, zum einen, weil wir schon ganz gut darauf achtgegeben haben, aber auch, weil das Gerät und insbesondere das in ihm verwendete Cassetten-Laufwerk (auch Cassetten-Mechanismus oder im Englischen „Cassette/Transport Mechanism“ oder auch gern einfach nur „Mech“ genannt) von einer konstruktiven und verarbeitungstechnischen Güte ist, die man heute vergebens sucht. Das spiegelt sich aber nicht nur in seiner Langlebigkeit wider, sondern vor allem auch in der Wiedergabequalität.

Ich nannte den Mechanismus lange Zeit gerne „Panasonic Semi-Soft-Touch“ (oder auch „Matsushita Semi-Soft-Touch“), bis ich endlich in einem Service-Manual auf die offizielle Bezeichnung stieß: SG-20.

In den einschlägigen Foren der „Tapeheads-Szene“ findet dieser Mechanismus irgendwie leider recht wenig Beachtung und überhaupt Erwähnung. Dabei kam er nicht nur im Panasonic RQ-2102 , sondern im Lauf der Jahre auch in vielen anderen Modellen zum Einsatz und wurde somit über mindestens 20 Jahre hinweg nahezu unverändert hergestellt und verkauft. Und vielleicht gar noch länger? Dazu später mehr…

Comeback der Cassette

Die Szene selbst hat – nicht nur, aber auch – aufgrund von Phänomenen wie dem YouTube-Kanal Techmoan und ähnlichen Creators in den letzten Jahren ja enorm an Aufwind bekommen: Cassetten waren auf einmal wieder angesagt, sowohl wegen ihres Retro-Charmes, den damit verbundenen Kindheitserinnerungen und des technischen Interesses am Reparieren und Pflegen der alten Decks, aber wohl auch ein wenig als Lifestyle-Aussage. Wer unter Nerds was auf sich hielt, hatte ein oder mehrere alte Tapedecks zuhause und kaufte sich die angesagten Synth-Pop-Alben natürlich auf Cassette (ich schließe mich da gar nicht aus…). Letzteres, hab ich den Eindruck, ist in den Jahren ab 2023 wieder etwas abgeflaut, aber die eindrucksvolle und trotz aller Widrigkeiten doch robuste Technik bleibt.

Man hört ja immer wieder von der Vergänglichkeit alter Tonaufnahmen auf Band, aber bei annähernd sinnvoller Lagerung (nicht gerade im verschimmelten Keller oder unter dem undichten Dach und nicht in der prallen Sonne) halten Cassetten nach meiner Erfahrung annähernd ewig. Ich habe vor 3 Jahren eine größere Digitalisierungs-Session alter Kinder-Hörspielcassetten eingelegt, die teils aus den frühen 80er-Jahren stammten, und alle davon ließen sich mit einem guten Deck und Anwendung eines guten Dolby-B-Plugins („Tape Restore Live“ für Winamp!) in exzellenter Qualität „retten“.

Hintergrund: Dolby – die „Mach-alles-dumpf-dann-ist-auch-das-Rauschen-weg“-Taste?

Kleiner Einschub: von der richtigen Einstellung des Arbeitspunktes der Dolby-Rauschunterdrückung auf Wiedergabeseite hängt quasi alles ab, und sie ist fast immer falsch. Kurz gesagt: jeder Millennial hat seine mit Dolby B produzierten Musik- und Hörspielcassetten damals fast immer mit ausgeschaltetem Dolby B angehört. Denn Dolby war eigentlich nur als der „Macht-alles-dumpf“-Schalter am Kassettendeck bekannt. Dabei lag das fast immer daran, dass das Ausgangssignal am Tonkopf des wiedergebenden Decks (sprich: am Eingang des Dolby-Dekoders) schlicht nicht mehr den gleichen Pegel hatte wie am Aufnahmekopf des aufnehmenden Decks (sprich: am Ausgang des Dolby-Enkoders). Aber das gesamte Kompandierungssystem basiert eben auf der Annahme, dass dies der Fall ist, denn ansonsten stimmen die Arbeitspunkte auf der Kennlinie nicht überein. Und leider ist diese Annahme naiv. Ohne einen bei der Aufnahme aufgebrachten Referenz-Pegelton, anhand dessen man den Dekoder im Wiedergabegerät (der dazu natürlich eine Einstellmöglichkeit für den Pegel haben müsste) einmessen könnte, hat man eigentlich keine Chance, außer „auf gut Glück“ zu hoffen, dass die Pegel zufällig irgendwie stimmen. Durch Magnetisierungsverluste und unterschiedliche Wirkungsgrade der Tonköpfe auf Aufnahme- und Wiedergabeseite und unterschiedliche Verstärkerschaltungen ist dies aber so gut wie nie der Fall.

Ein meines Erachtens völlig unterschätztes (und vor allem eigentlich recht leicht lösbares) Problem: Hätte einfach jeder Dolby-Dekoder einen kleinen Regler, mit dem die Kennlinie nach oben oder unten verschoben werden könnte, so könnte man den Referenzpegel an den tatsächlich auf dem Band vorhandenen Pegel anpassen und hätte dabei obendrein noch die Möglichkeit, gleichsam die Intensität der Rauschminderung stufenlos einzustellen. Das würde vermeiden, dass – wie sonst fast immer der Fall – der vom Band kommende Pegel zu niedrig für den Dolby-Dekoderschaltkreis ist und dieser daher in den oberen Frequenzen erst viel zu spät „aufmacht“ – und es daher fast immer dumpf klingt.

Meines Wissens gibt es aber leider so gut wie keine Geräte, die so etwas bieten – eine löbliche Ausnahme findet sich in einer Reihe von Decks der Firma Yamaha, die einen sogenannten „Play Trim“-Regler besitzen. Mit diesem ist eine Pegelanhebung, speziell der höheren Frequenzen, vor der Dolby-Dekoderschaltung möglich – also im Prinzip genau das, was ich oben beschreibe. Das hätte einfach mal Standard für jedes Dolby-Deck sein sollen…

Für mich war es jedenfalls eine Offenbarung, mit dem oben genannten kostenlosen Plugin „Tape Restore Live“ die Möglichkeit zu haben, den Referenzpegel des in Software nachgebauten Dolby-Dekoders (der natürlich nicht so heißen darf) in Echtzeit einstellen zu können und dabei den „Algorithmus“ endlich zum ersten Mal wirklich arbeiten zu hören. Nur bei wirklich leisen Passagen werden die Höhen abgeregelt, sodass tatsächlich das Bandrauschen verschwindet – ansonsten bleiben die Höhen brillant und präsent. So war das also gedacht! Klingt richtig gut! Habe ich so leider noch nie bei einem echten Tapedeck erleben dürfen. Aber ich schweife ab!

Zurück zum Cassetten-Mechanismus im Panasonic RQ-2102: Schon als Kind fiel mir eine Besonderheit an diesem Laufwerk auf. Mein Bruder hatte ca. 3 Jahre später ebenfalls einen kleinen Mono-Cassettenrecorder bekommen, ein Modell von Grundig. Leider war dieses Gerät weitaus schlechter verarbeitet (und hat bis heute z.B. bereits ein paar Tasten verloren, auch wenn es grundsätzlich noch funktioniert). Bei diesem Gerät war es so, dass der Tonkopf und die Andruckrolle mechanisch fest mit der Mechanik der Play-Taste verkoppelt waren. Sprich: wenn man während des Abspielens mit dem Finger an der Play-Taste wackelte oder diese „nachdrückte“, konnte man das im Signal als Tonhöhenschwankung wahrnehmen.

Das war bei meinem Panasonic nicht der Fall. Drückte man hier die Play-Taste, so wurden Tonkopf und Andruckrolle erst ein paar Millisekunden später ganz an die Cassette gedrückt und waren dann mechanisch von der Play-Taste entkoppelt. Wackeln oder Nachdrücken der Taste hatte keinerlei Auswirkungen auf Signal oder Bandlauf.

Semi-Soft-Touch

Was das letztlich bedeutete, war mir als Kind natürlich nicht klar, von Begriffen wie „Soft Touch“ hatte ich noch nie gehört, aber mir war bewusst, dass der Startvorgang dieses Laufwerks irgendwie elektrisch unterstützt wurde. Dafür sprach auch, dass bei fehlender Stromversorgung der Tonkopf beim Drücken der Play-Taste nur halb zum Vorschein kam.

Mir war intuitiv klar, dass dieser Mechanismus qualitativ einen Vorteil gegenüber einfachen, rein mechanischen Konstruktionen bietet (der damalige, erste Recorder meines Bruders war von Anfang an natürlich „schlechter als meiner“, das war ja eh klar – tatsächlich hatte dieser nur einen einzigen technischen Vorteil, nämlich einen Stereo-Tonkopf, sodass man über den Kopfhöreranschluss tatsächlich Stereo hören konnte, das interessierte mich damals aber nicht).

Später bekam mein Bruder dann einen kleinen Radiorecorder – diesmal ebenfalls von Panasonic – geschenkt, der eine unglaubliche Ähnlichkeit mit meinem RQ-2102 hatte und den Stein zu all meinen Cassettenlaufwerksgedanken irgendwie ins Rollen brachte – aber dazu weiter unten mehr, ich schweife schon wieder etwas ab, daher möchte ich jetzt erst einmal alles an Wissen zusammentragen, was mir heute zu dem Laufwerk im RQ-2102 bekannt ist.

Das Wichtigste gleich vorneweg: mittlerweile weiß ich wohl, wie der Mechanismus wirklich heißt. Seine offizielle Bezeichnung von Panasonic/Matsushita lautet „SG-20“ (auch „SG20“). Das Service-Manual des RQ-2102, wohl eines der ersten Geräte, in dem dieser Mechanismus verbaut ist, spricht auch vom „New Mechanism (SG-20)“.

Das allererste Gerät mit dem SG-20-Mechanismus könnte (ich kann das nicht nachprüfen) ein Panasonic SG-20 selbst gewesen ein: Panasonic hatte unter diesem Namen einmal einen HiFi-Stereo-Receiver mit eingebautem Cassettendeck im Programm. Dieser Link zeigt ein Foto des Geräts auf einem Service-Manual, und die Anordnung und Beschriftung der Tasten ist exakt identisch zu allen anderen mir bekannten Modellen, in denen der SG-20-Mechanismus verbaut ist.

Der Mechanismus hat eine extrem hohe Qualität für das Segment, in dem er damals und auch noch später lange verkauft wurde. Das spiegelt sich in guten Gleichlaufwerten und mechanischer Entkopplung von den Transportknöpfen wider – wie bei den sogenannten „Soft-Touch“-Laufwerken. Letztgenannte haben im Allgemeinen ja einen gar nicht mal so guten Ruf und gelten als mechanisch überkomplex und störanfällig – etwas, das auf den hier besprochenen Mechanismus aber absolut nicht zutrifft!

Mir ist bis heute unbekannt, ob dieser damals „neue Mechanismus“ überhaupt tatsächlich in die Kategorie „Soft Touch“ fällt, denn der Aspekt, dass das Drücken der Play-Taste leichter ginge, ist hier nicht wirklich erfüllt. Vielmehr wird beim Druck der Play-Taste tatsächlich mechanisch einiges „bewegt“ – bis zu einem gewissen Punkt, an dem dann der Motor startet und den Rest erledigt. Daher bezeichne ich den Mechanismus eben auch gerne als „Semi-Soft-Touch“-Mechanismus.

Die Pause-Taste ist ein rein elektrischer Kontakt, der vermutlich über einen Elektromagneten das Laufwerk zwischen dem Zustand wie vor dem Einsetzen der Soft-Touch-Unterstützung beim Druck auf die „Play“-Taste und dem Play-Betriebszustand wechselt. Das legt nahe, dass die Pause-Funktion rein theoretisch fernbedient werden kann, und das Vorhandensein einer kleinen 2,5mm-Klinkenöffnung neben dem Mikrofoneingang lässt vermuten, dass ein Reportagemikrofon mit Fernbedienung für den RQ-2102 existiert, bei dem mit einem Schalter am Mikrofon das Laufwerk von „Play“ auf „Pause“ umgeschaltet werden kann, oder dass es zumindest ähnliche Modelle gab, die dieses Feature besaßen.

Das verwendete Gummimaterial für die Andruckrolle ist beim SG-20 glücklicherweise von der absolut langlebigen (man kann nach all den Jahren wohl guten Gewissens vermuten: dauerhaft haltbaren) Sorte. Alle mir bekannten Exemplare dieses Laufwerks haben nach wie vor griffigen, nicht ausgetrockneten und auch nicht ausgehärteten Gummi, auch nach mehr als 30 Jahren! Ganz im Gegensatz zu einem anderen sehr populären Mechanismus aus dem Hause Panasonic/Technics: dem späterem „AR-1“-Mechanismus (vollelektronisch/logic control, mit Autoreverse, kam aber auch in Varianten ohne Autoreverse zum Einsatz). In diesem wurden leider Andruckrollen verwendet, die ausnahmslos alle innerhalb von ca. 10 Jahren vollständig ausgehärtet und deformiert waren, sodass diese Laufwerke ein Garant für zerstörte Cassetten sind, wenn man sie nach so vielen Jahren einfach unbesehen benutzt. Auch von Matsushita vertriebene Original-Ersatzandruckrollen sind leider aus diesem völlig ungeeigneten Material und härten immer wieder aus. Es existieren zum Glück Ersatzteile auf dem Drittmarkt, die scheinbar länger halten. Diese Materialentscheidung beim AR-1 ist mir bis heute ein Rätsel, zumal das Problem ja – wie man am SG-20 in meinem RQ-2102, der bis heute spielt, sehen kann – eigentlich ein Gelöstes ist.

Der SG-20-Mechanismus verwendet darüber hinaus einen guten Motor, in einigen Varianten sogar einen elektromagnetischen Löschkopf (beim RQ-2102 aber nur einen Permanentmagneten), ein Metall-Schwungrad (zumindest in den ersten Jahren, bei späteren Versionen fehlt die Metall-Schwungmasse an der „Capstan Shaft/Flywheel Assembly“, Teilenummer RXF0012) und es wurden qualitativ hochwertige Tonköpfe (teils verbunden mit einer AC-Bias-Vormagnetisierungsschaltung) verbaut – alles Punkte, die schon damals nicht selbstverständlich waren, heute aber ganz und gar exotisch wären. Geräte wurden früher eben so entwickelt, dass das Maximum an Qualität aus dem vorgesehenen Entwicklungs- und Fertigungsbudget herausgeholt wurde, nicht bei gleichem Verkaufspreis die maximale Gewinnmarge, die unter Berücksichtigung der gesetzlichen Gewährleistung von 24 Monaten erzielt werden kann, wie es heute leider der Fall ist.

Noch ein nettes Feature: drückt man während des Abspielens auf die Vor- oder Rückspultaste und hält diese gedrückt, ist es möglich, unter Mithören des Signals zu spulen, dabei wird der Kopf wiederum elektromechanisch leicht vom Band abgehoben – dieses Feature würde mit geeigneter elektronischer Unterstützung gar eine „AMS“-Funktion ermöglichen.

Weil der Mechanismus elektrische Unterstützung benötigt, um nach dem Druck auf die Play-Taste die Kopfeinheit anzukoppeln, kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass bei einem Stromausfall der Mechanismus in einen Zustand gerät, in dem er nicht mehr durch Druck auf „Stop/Eject“ in den Ursprungszustand zurückspringt und dann ggf. eine Kassette nicht mehr entnommen werden kann, bis wieder Strom zur Verfügung steht. Deshalb haben der RQ-2102 und (fast) alle anderen Geräte, die das gleiche Laufwerk besitzen, irgendwo im Gehäuse eine kleine Öffnung, durch die im Notfall mit einem kleinen Schraubenzieher das Schwungrad ein wenig weitergedreht werden kann, bis der Mechanismus wieder in den Ausgangszustand zurückspringt.

Jetzt zu meiner Andeutung von oben: es gab nämlich in meiner „Familien-HiFi-Geschichte“, bereits noch während meiner Jugend, ein weiteres Exemplar dieses Laufwerks. Ihr ahnt es vielleicht schon – genau. Mein Bruder bekam irgendwann um 1998 herum als Nachfolger seines alten Grundig-Recorders einen kleinen Stereo-Radiorecorder geschenkt, diesmal auch von Panasonic, und zwar einen RX-FS430. Und – guess what! – dieses Gerät beherbergte ebenfalls „Semi-Soft-Touch“-Mechanismus, der sich in allen Belangen exakt gleich wie der des RQ-2102 verhielt, aber eben einen Stereo-Kopf besaß. Die Geräusche des Laufwerks beim Starten und Stoppen, die leichtgängige Pause-Taste und auch die „Notfall-Öffnung“ auf der dem Cassettenfach gegenüberliegenden Gehäuseseite (in dem Falle die Rückseite) – all das war vertraut und glich meinem RQ-2102 bis aufs Haar. Diese Tatsache – dass sich eben die beiden Laufwerke aus dem RQ-2102 und dem RX-FS430 meines Bruders so gleich verhielten und mechanisch so gleich klangen – war es übrigens erst, die mich als damals so 12-Jährigen überhaupt dazu veranlasste, darüber nachzudenken, dass Cassetten-Mechanismen als separate Baugruppen von verschiedenen Herstellern über verschiedene Recordermodelle hinweg eingesetzt wurden. Und mir generell Gedanken über mechanische und elektrische Kompatibilität, Normen, Standards und so weiter zu machen. Der kleine Ingenieur und seine kleinen „Mindblow“-Momente halt…

Wer war der letzte seiner Art?

Ihr habt wirklich bis hierhin weitergelesen? Das ist cool, danke – denn jetzt wird es besonders spannend.

In der bereits angesprochenen Retro-Tape-Enthusiasten-Szene galt es viele Jahre als Faktum, dass so ca. seit dem Jahr 2010 keine anderen Cassetten-Mechanismen mehr hergestellt werden, als genau ein einziger aus dem Hause „Tanashin“ (und dessen Klone und Kopien, die dann noch billiger und minderwertiger waren). Dieser Mechanismus ist funktional und wohl im Grunde ganz in Ordnung, aber natürlich bietet er nur das absolute Minimum. Er ist ein rein mechanische Konstruktion ohne jedwede Soft-Touch-Unterstützung, muss oft mit Plastik-Schwungrädern auskommen usw., und er kam in allem zum Einsatz, was heutzutage so auf dem Markt ist: von der billigen „USB-Kassetten-Digitalisierungs“-Kiste, über jede einzelne der diversen Cassetten-Boomboxen auf Amazon, bis hin zum eigentlich als High-End-Produkt gedachten Tascam-Deck.

Bis Techmoan im Jahr 2020 ein Video veröffentlichte, in dem er eine damals immer noch neu erhältliche „Boombox“ von Panasonic namens RX-D55 (bzw. in Europa RX-D55A, genauer RX-D55AEG-K) testete und für ihre – für heutige Verhältnisse – guten Eigenschaften bezüglich des Cassetten-Teils lobte. Wir waren damals auf der Suche nach einer anständigen Kinderzimmer-Mini-Anlage, die CDs, MP3-CDs, MP3-USB-Sticks und idealerweise eben auch unsere alten Kindercassetten abspielen konnte, sodass dieses Teil ohnehin in meiner engeren Auswahl stand…

Gekauft war das Ding dann sofort, als ich in Techmoans Video das vertraute Geräusch hörte, das nach dem Druck auf den „Play“-Knopf ertönt: das satte, von einem leisen elektromechanischen Summen begleitete Einrasten der Kopfeinheit in der Wiedergabeposition. Mir war sofort klar: hier ist der gleiche Mechanismus am Werk wie in meinem RQ-2102 – wenn ich meinen Kindern die Möglichkeit geben möchte, alte (und neue) Cassetten in guter Qualität wiederzugeben, dann muss es dieses Gerät sein!

Was man im Jahr 2021 noch kaufen konnte…

Als das Gerät ankam, war klar: es ist tatsächlich ein nagelneues Exemplar des altbewährten und toll entwickelten Semi-Soft-Touch-Mechanismus. Nicht nur am Verhalten und den Geräuschen zu erkennen, sondern auch an der charakteristischen Feder links von der Tonwelle (zu sehen im Bild ganz oben beim RQ-2102).

Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: 2021, also fast 30 Jahre, nachdem ich meinen ersten Cassettenrecorder bekam, kaufe ich einen nagelneuen Recorder von der gleichen Firma und er enthält exakt das gleiche Laufwerk mit all seinen Vorzügen. Noch besser aber: es war damit eindeutig widerlegt, dass zu dem Zeitpunkt der „berüchtigte“ Tanashin-Mechanismus der einzige noch verkaufte Cassettenmechanismus auf dieser Welt wäre. Gut, der Panasonic RX-D55 war 2021 alles andere als taufrisch, ich schätze, das Gerät muss so um ca. 2011 herum entwickelt worden sein, aber was Panasonic da verkaufte, war definitiv keine abgestandene Lagerware. Ich gehe von einem Produktionsdatum um 2019 herum aus. Man kann also konstatieren, dass mindestens bis ins Jahr 2021 noch ein weiterer Cassettenmechanismus neben dem „Tanashin“ und seinen Nachahmern produziert oder zumindest verkauft wurde, allerdings nicht in Lizenz in Produkten anderer Hersteller, sondern ausschließlich in Geräten von Panasonic selbst.

Ich kann allerdings nicht unerwähnt lassen, dass auch an Panasonic natürlich die letzten Jahrzehnte in Sachen Verarbeitungsqualität und Sparzwang (oder sollte ich lieber sagen Gewinnmaximierungsstreben?) nicht vorbeigegangen sind. Natürlich ist hier die spätere Revision des SG-20-Mechanismus verbaut, bei der das Schwungrad fast nur noch aus Plastik besteht, was dem Gleichlauf und der Tonqualität zwar keinerlei Abbruch tut, aber dennoch eine Erwähnung wert ist. Und leider scheint auch die Verarbeitungsqualität des Geräts nicht unbedingt gleichbleibend hoch zu sein. Das erste Gerät musste ich wieder einschicken, weil der Motor ein unglaublich lautes Laufgeräusch hatte – hier schleifte ganz klar etwas, Metall auf Metall. Das zweite Gerät dann hatte das Problem, dass die CD-Schublade nicht sauber öffnete und schloss, weshalb es ebenfalls retourniert wurde. Erst das dritte Gerät lief zufriedenstellend, hatte aber ebenfalls einen kleinen Mangel, den auch die vorigen – mehr oder weniger stark ausgeprägt – hatten und der wohl auf eine achtlose Konstruktion zurückzuführen ist:

Die Tür des Cassettenfachs rastet bereits in einer Position ein, in der die Führungsschienen für die Cassette noch nicht den Boden des Fachs gänzlich berühren, die Klappe also im Grunde noch nicht ganz geschlossen ist. Das hat zur Folge, dass die Cassette im Fach immer ganz leicht angehoben wird (dazu noch leicht schräg liegt) und das Band nicht in der Idealposition am Tonkopf vorbeiläuft. Es kommt dadurch zu Spurlage- und Azimuthproblemen – die Höhen fallen extrem ab. Alle, die dieses Gerät ihr Eigen nennen, sollten das einmal probieren: während des Abspielens einer Cassette das Fach mit der Hand behutsam noch etwas weiter „zudrücken“ – ihr werdet feststellen, dass die Tonqualität dadurch extrem verbessert werden kann (je nach Fertigungstoleranz, bei einigen Geräten ist der Effekt stärker, bei anderen weniger stark).

Konstruktions- und Fertigungsprobleme: Es ist eben doch nicht mehr 1993…

Abhilfe schafft ein auf die Verriegelungsnase der Cassettentür innen aufgeklebtes Stückchen Plastik, welches diese dicker macht und daher dafür sorgt, dass die Klappe weiter hinuntergedrückt werden muss, bevor sie einrastet. (Wichtig: natürlich geschehen alle derartigen Modifikationen vollständig auf eigene Gefahr und eigenes Risiko; es versteht sich von selbst, dass die Gewährleistung durch solche Veränderungen erlöschen kann).

Da ich das letzte Gerät nach den zwei erfolgten Austauschaktionen nicht schon wieder einschicken wollte, habe ich das Gerät kurzerhand auf die beschriebene Weise modifiziert und wir sind seitdem vollkommen glücklich damit (bis auf den letzten, bei uns – wegen nur sehr seltener Radionutzung durch die Kinder – vollständig verschmerzbaren Mangel des leider nur als miserabel zu bezeichnenden UKW-Empfangs).

Aber CD, MP3-CD, USB und Cassette bieten mit dem Gerät ein tadelloses Ergebnis!

Schreibe ich das, um Werbung für das Gerät zu machen? Auf diese Idee käme ich niemals, wer mich kennt, weiß das, weil mich jede Form von Werbung (im kommerziellen Sinne) nervt. Außerdem käme jeder, der das Gerät noch neu ergattern möchte, ohnehin zu spät: 2021 hat Panasonic das gute Stück leider sang- und klanglos aus dem Produktportfolio gestrichen.

Und nach dem erwähnten Techmoan-Video ist das Gerät natürlich auch auf dem Gebrauchtmarkt etwas begehrter geworden. Ich würde es dort jedoch weiterhin – mit den kleinen erwähnten Abstrichen, die sich aber mit etwas Geschick beheben lassen – wärmstens empfehlen.

Bleibt mir diese Geschichte nur noch abzurunden mit ein paar weiteren „Cassette Mech Trivia“ aus der Panasonic-/Technics-Familie: der hier beschriebene „Semi-Soft-Touch“-Mechanismus (SG-20) ist nach meinen eigenen Recherchen mindestens in 5 Modellen von Panasonic (vermutlich weit mehr) zum Einsatz gekommen. Mir bekannte Geräte, in denen der SG-20 zum Einsatz kam, sind z.B. RQ-2102, RX-DS15, RX-M40, RX-FS430, RX-FS440, RX-D50, aber vermutlich noch viele weitere mehr.

Der neuere, oben erwähnte AR-1-Mechanismus, der vollständig elektronisch gesteuert wird, kam in unzähligen Geräten von Panasonic zum Einsatz, und zwar in verschiedenen Varianten. Die „Brot-und-Butter“-Variante war die Variante mit Autoreverse-Mechanik und dementsprechend zwei Andruckrollen aus leider sehr schnell aushärtendem Material, sie kam u.a. in diversen Micro-HiFi-Anlagen von Panasonic zum Einsatz (darunter auch die späteren Slot-In-Modelle) sowie auch in kleineren Radiorecordern und Boomboxen der gleichen Marke, teils solchen mit Fernbedienung. Der Mechanismus, der einen ganz leichten Hang dazu aufweist, dem Attribut „overengineered“ zu entsprechen, wurde aber auch bis hin zu den damaligen High-End-Doppelkassettendecks von Technics, wie dem RX-TR575 und Konsorten, verbaut. Außerdem bildet er meines Wissens die Grundlage der späteren Matsushita-DCC-Laufwerke (Digital Compact Cassette).

Eine abgespeckte Variante des AR-1, die ihrer Autoreverse-Fähigkeiten beraubt wurde (dazu wurde schlicht eine der Andruckrollen weggelassen und der Tonkopf statt auf dem elektromagnetisch drehbaren auf einem starren Plastikgestell montiert) kam in einigen Panasonic-Midi- und Mini-Systemen der 2000er-Jahre zum Einsatz, wie dem SA-AK200. An den charakteristisch klackernden und klickenden Geräuschen dieses Mechanismus erkennt man sie aber sofort.

Genau, wie man den „Semi-Soft-Touch“-Mechanismus SG-20 an seinem charakteristischen, verzögerten und von einem sonoren Geräusch begleiteten Einrasten des Tonkopfes erkennt.

Ich habe übrigens überlegt, ein elaboriertes YouTube-Video zu erstellen, das all die verschiedenen Geräte, um die es hier geht (natürlich vor allem den RQ-2102) in Aktion zeigt, ihre Laufwerksgeräusche, Tasten usw. vergleicht – aber wie ihr euch vorstellen könnt, ist es zu diesen „Klassikern“ dann doch schon so einiges an Videos vorhanden. Ich will nicht ausschließen, dass ich ein entsprechendes Video irgendwann nochmal mache, für jetzt würde ich mich aber mal auf Links zu gutem Anschauungs- und vor allem Anhörungsmaterial (Laufwerksgeräusche usw.) beschränken: zum Beispiel hier (komplette Demo des RQ-2102 inkl. Einblick ins Innere), hier (zeigt das Geräusch und die Verzögerung bei Nutzung der Pause-Taste), hier, hier, hier (RX-FS430 in Aktion mit dem gleichen, charakteristischen Play-Geräusch) und hier (Einblick in den RX-FS430).

Ich hoffe jedenfalls ganz stark, dass Geräte mit diesem Laufwerk noch lange erhalten bleiben und ihren Nutzer*innen, genau wie mir und meiner Familie, weiterhin viel Freude bereiten – auch und gerade „in Zeiten wie diesen“.

Macht’s gut, bleibt stabil & gesund, es grüßt euch euer
Fabian

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SEAT MapCare: The care is a lie?

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[TL;DR]: Ihr habt einen SEAT aus den Jahren ca. 2016 bis 2019, wollt das Navi (nicht Navi Plus!) updaten und wisst nicht, ob ihr MapCare habt oder nicht? Kurze Antwort: ja, ihr hattet (ziemlich sicher) welches, aber es ist (ziemlich sicher) schon lange abgelaufen. Ist aber egal, fragt mal das Internet. Und macht vorher ein Backup eurer SD-Karte.

Wer ein Fahrzeug des VAG-Konzerns, genauer gesagt der Marken VW, Skoda oder SEAT, aus den Baujahren 2015 bis 2019 mit Navigationssystem sein eigen nennt, wird sicher früher oder später darüber gestolpert sein: man kann das jeweils aktuelle Kartenmaterial des Navigationssystems kostenlos von der Website des Fahrzeugherstellers herunterladen und somit sein Navi über die mitgelieferte SD-Karte jederzeit kostenlos auf dem aktuellen Stand halten.

So weit die Theorie, so weit technisch (eigentlich) einfach. ZIP-Datei runterladen, SD-Karte aus dem Auto raus und rein in den PC, Karte formatieren, Inhalt der neuen ZIP-Datei auf die Karte entpacken, und los geht’s.

Wären da nicht die Ideen der Autohersteller (insbesondere: der BWL-Strategen ebendort), die Verwendung beliebiger SD-Karten zu erschweren (Kopierschutz? Service-Fälle wegen ausfallender Billig-SD-Karten minimieren?) und vor allem: den Markt auch in diesem Bereich nochmal in Segmente zu unterteilen.

Zunächst einmal: es gibt für den Bauzeitraum zwischen ca. 2015 und 2019 zwei Arten von Navigationssystemen: das „Standard“- und das „High“-Navi. Das Standard-Navi heißt bei den verschiedenen Herstellern unterschiedlich, zum Beispiel „Discover Media“ (VW), „SEAT Navi“ bzw. „Navi 6P0“ (SEAT) oder „Amundsen“ (Skoda), wird/wurde von Technisat (Preh TechniSat Car Connect GmbH) gefertigt und heißt intern auch „MIB 2 Standard“ oder „MST2“.

Das „High“-Navi heißt je nach Hersteller „Discover Pro“ (VW), „SEAT Navi Plus“ (SEAT), „Columbus“ (Skoda) und wird intern als „MIB 2 High“ oder „MHI2“ bezeichnet. Gefertigt wurden diese Einheiten von Harman Becker Automotive Systems (ehemals Becker).

Und so sieht (sah) es dann in der offiziellen Kommunikation der Marken im Jahr 2017 aus:

  • Für das Kartenmaterial kann im „Standard“-Navi immer nur die mit dem Fahrzeug mitgelieferte SD-Karte oder eine nachgekaufte Original-SD-Karte des Fahrzeugherstellers verwendet werden (Begründung: Nur diese Karten sind getestet und dafür zertifiziert, den hohen thermischen und mechanischen Belastungen im Fahrzeug standzuhalten). Technisch wird dies über eine Abfrage der CID realisiert.
  • Bei Volkswagen: du darfst für „mindestens 3 Jahre“ nach Erstzulassung (das wurde je nach Händler nie näher spezifiziert) von der VW-Homepage nach Registrierung neue Karten runterladen, auf deine Original-SD-Karte laden und ab geht’s.
  • Bei Skoda: das gleiche, nur ist keine Registrierung nötig; dafür muss vor dem Download die Fahrgestellnummer (VIN) eingegeben werden. Offiziell war hier nie von einer Zeitbegrenzung der möglichen Updates die Rede, also im Prinzip sollte es eine „Lifetime“-Karten-Update-Garantie sein
  • Und jetzt kommt SEAT: Hier wurde nochmal differenziert (Stichwort Marktsegmentierung), und zwar je nachdem, ob beim Kauf des Fahrzeugs die Option „SEAT MapCare“ mitbestellt wurde oder nicht. Wenn ja: es ist angeblich so wie oben, also bei VW und Skoda. Update – kein Problem, go for it (für den Download der Karten ist bei SEAT nicht einmal irgendeine Anmeldung oder Eingabe der VIN nötig, die Karten sind auf www.seat.de frei herunterladbar). Wenn nein: keine Chance. Angeblich. (Und wenn du doch das Update auf deine SD-Karte lädst und kein Backup gemacht hast: Sorry, no Navi no more).

So weit die Theorie und das Marketing. Und jetzt wird es interessant: kauf mal einen Gebrauchtwagen, wie in unserem Falle einen SEAT Leon ST FR von 2017, aus zweiter oder dritter Hand und versuche herauszufinden, ob der Erstbesitzer damals „MapCare“ bestellt hatte oder nicht. Spoiler alert: schwierig. Aber auch Spoiler alert: je nach Navi ist es egal, aber der Reihe nach.

Hat man kein SEAT MapCare (und sagen kann einem das angeblich nur ein SEAT Händler, wenn man mit dem Wagen vorfährt und/oder die VIN nennt), so warnt SEAT auf seiner Homepage ausdrücklich davor, die Navigationsdaten herunterzuladen und auf seiner Original-SD-Karte zu überschreiben. Denn dann, so SEAT, seien die Navigationskarten unwiederbringlich zerstört und eine Nutzung im Fahrzeug ist nicht möglich. Nachkaufen von MapCare ist angeblich ebenfalls nicht oder nur zu horrenden Preisen (man munkelte vor Jahren mal was von 500 EUR) möglich.

Immerhin: es wird erklärt, wie man ein Backup von der Navi-SD-Karte macht (trivial – es reicht einfach, die enthaltenen Dateien komplett in einem Ordner auf dem PC oder einer externen Festplatte zu sichern) und im Fehlerfalle diese einfach wieder zurückspielt. Das sollte man auch tunlichst machen!

Wenn man aufpasst und ein Backup hat, kann einem so also nichts passieren.

Beste Voraussetzungen für Experimente, Deep Dive und ein bisschen Spaß am Gerät, oder? ?

Ein kleines bisschen Recherche im Netz und eigenes Probieren mit verschiedenen heruntergeladenen Kartenversionen (offiziell bei den Herstellern möglich und natürlich auch bei einschlägigen Web-Archiven in älteren Versionen vorhanden) zeigt schnell auf: auch ohne MapCare kann man etwas neuere als die Original-Karten durchaus verwenden, nur eben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aha!

Further down the rabbit hole wird man dann fündig und liest: die Tatsache, ob und wie lange (besser gesagt: wie oft bzw. wie viele Versionen in die Zukunft) man seine Karten updaten „darf“, ist über einen sogenannten „Feature Enablement Code“ (FEC) im Infotainmentsystem hinterlegt. Diese Codes sind Teil der vom VAG-Konzern als „Software as a Product“ (was für ein Name, oder?) – abgekürzt „SWaP“ – betitelten Strategie.

Und jetzt komm ich so langsam zur Pointe: da man sich mit sehr wenig Aufwand (langes Drücken der Menütaste und Auswahl der entsprechenden Option im erscheinenden Service-Menü) anzeigen lassen kann, welche FEC-Codes im eigenen Navi aktiviert sind und welche das System potentiell erkennen würde, kann man sich mit etwas Rumfragen im Freundeskreis recht einfach ein Bild machen, was bei welchen Fahrzeugen freigeschaltet ist und was nicht.

Bei SEAT-Fahrzeugen mit Standard-Navi ohne MapCare ist hier z.B. der Code 07400008 freigeschaltet. Laut Recherchen bedeutet dies: es sind 8 Karten-Updates möglich, oder anders gesagt: das Navi lädt Navigationsdaten, deren Versionsnummer maximal um 8 Nummern höher ist als die der auf der Original-SD-Karte hinterlegten.

Moment mal, und wie war das mit dem MapCare? War da nicht genau von „mindestens 3 Jahren“ Updates (bei zwei Updates pro Jahr also ungefähr 8 Updates) die Rede?

Und tatsächlich: vergleicht man das mit den Codes, die bei vergleichbaren Skoda- und VW-Fahrzeugen und auch bei SEAT-Fahrzeugen mit MapCare (aber Standard-Navi) serienmäßig installiert sind, stellt man fest: auch hier ist der entsprechende Code immer mit …008 hinterlegt (die Anfangsziffern unterscheiden sich ggf. bei VW und Skoda).

Und here’s the Point: so weit ich es sehe, gibt es scheinbar bei SEAT-Fahrzeugen mit dem „Standard“-Navi auf dem Gebrauchtmarkt, also „in the wild“, keinen Unterschied zwischen Fahrzeugen mit und ohne MapCare.

So sieht’s aus. The care is a lie!

(Meine Aussagen basieren auf eigenen Erfahrungswerten und haben keinen rechtsverbindlichen Charakter, sie sollen auch nicht implizieren, dass SEAT zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche unwahren oder irreführenden Aussagen gemacht hätte; ich jedoch war durch die offiziellen SEAT-Informationen durchaus verwirrt).

Vermutlich basiert all die Verwirrung im Internet und auch bei Händlern auf einem großen Missverständnis: SEAT MapCare wurde vor allem für das SEAT Navi Plus angeboten. Hier verhält sich nämlich alles komplett anders. Also wirklich alles. Denn: das Navi hat eine interne Festplatte, auf die die Navigationsdaten kopiert werden, wenn man eine SD-Karte mit Navi-Daten einlegt. Man kann hierfür auch ein beliebige, eigene SD-Karte verwenden; sie wird danach auch nicht mehr benötigt, die Karten werden ja in den internen Speicher kopiert. Auch hier kann man die Daten kostenlos von der offiziellen SEAT-Website herunterladen und dann – sofern man MapCare hat – auf das Navi überspielen.

Aber: hier gibt es wohl tatsächlich Fahrzeuge mit „verlängertem“ oder gar „lebenslangem“ MapCare (der FEC-Code endet in diesem Fall wohl auf …EE und würde somit EEhex = 238dec Updates erlauben). Und, nun ja, anders bekommt man auch gar keine aktuellen Navi-Karten mehr auf diese Systeme. Ohne MapCare hat man hier also (wenn man nicht noch tiefer und dann durchaus auch in nicht ungefährliche Regionen „hinabsteigen“ möchte, siehe weiter unten) keine Chance.

Beim Standard-Navi nach offizieller Sprachregelung ja auch nicht: denn eigentlich ist bei jedem Fahrzeug „in the wild“, wenn man sich mal die Baujahre des MIB2-Navi ansieht, das MapCare (oder auch „nicht-MapCare“…) mit seinen immer 8 erlaubten Updates längst „abgelaufen“.

Was macht man da jetzt nun? Tja, ich will hier keine expliziten Anleitungen geben, denn etwas Experimentierfreude setze ich bei meinen Lesenden schon noch voraus und die profunde Fähigkeit zur Websuche.

Nur so viel: Mit einem normalen „MIB2 Standard“ bekommt man auch alle brandaktuellen Navi-Karten von der SEAT-Homepage (übrigens: die Dateien von SEAT, Skoda und VW sind vollkommen identisch) ans Laufen, sofern sie auf die Karte passen (die alten Karten sind mit 16 GB nämlich mittlerweile zu klein für ganz Europa, aber zum Glück bieten die Hersteller auch unterteilte Länderpakete an) – MapCare hin oder her.

Wichtig ist nur, dass man ein Backup der Original-SD-Karte hat. Ganz wichtig. Man braucht nur eine einzige Datei von der Original-Karte, aber die braucht man. Wie gesagt, MapCare hin oder her. Oder im Klartext: auch wenn ihr damals MapCare gebucht habt, müsst ihr den von mir jetzt mehrfach angedeuteten Trick bzw. Workaround (googelt einfach mal kreativ) mittlerweile anwenden, wenn euer Fahrzeug z.B. von 2017 ist. Ich glaube, mittlerweile ist das bei allen in Frage kommenden Fahrzeugen ausgelaufen.

Da SEAT das Update aber ja genau für Käufer der MapCare-Option bereitstellt, die ohne den Trick mittlerweile dennoch in die Röhre schauen, halte ich die Anwendung des Tricks im Übrigen für völlig legitim und unbedenklich und mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass mittlerweile auch einige Autowerkstätten ihren Kunden dazu geraten haben sollen, genau so zu verfahren.

Wie gesagt: ich spreche vom normalen SEAT Navi und einem technisch völlig harmlosen, auch nicht durch irgendwelche EULAs oder das Urheberrecht ausgeschlossenen (im Sinne von: Reverse Engineering oder Disassemblierung usw.) Vorgang. Es wird einfach nur eine Datei aus dem Downloadpaket nicht mit entpackt und stattdessen die entsprechende Datei genutzt, die sich vorher schon auf der Original-SD-Karte befand. Easy. Safe. (Backup machen!).

Anders sieht es freilich beim SEAT Navi Plus aus, bei dem dieser Trick nicht funktioniert und man bei ausgelaufenem oder nicht vorhandenem MapCare den Weg zum Händler suchen muss, wenn man nicht mit (durchaus möglichen, aber sowohl technisch als auch rechtlich durchaus nicht unbedenklichen) Dingen wie Patchen der Firmware anfangen will (wovon ich aus den genannten Gründen ausdrücklich abrate). Das soll’s dann an dieser Stelle dazu auch gewesen sein…

Habt noch einen schönen Sommer!

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Wie Windows 11 auch Late-Adopter enttäuscht

„Ein vermutlich ganz neues Team an Entwicklern muss nun Features neu implementieren, von denen es selbst keine Ahnung hat, dass es sie mal gab – man scheint jedenfalls mit den ‚Senior-Devs‘ nicht wirklich viel gesprochen zu haben, genausowenig wie mit Power-Usern.“

Was Technik angeht, bin ich ja jemand, der gerne ausprobiert, experimentiert und erforscht. Das heißt nicht unbedingt, dass ich mich als Early Adopter bezeichnen würde: größere Neuerungen, gerade Betriebssysteme oder Hardware-Architekturen, muss ich nicht sofort haben, nur weil sie neu sind. Ausprobiert werden sie bei mir dennoch, aber in sicheren „Sandboxen“: Als VM, auf echter Hardware mit einem Image-Backup des vorigen Systems in der Hinterhand, oder einfach auf einem separaten Testsystem. Und da dauert es dann meistens keine 10 Minuten und ich finde die ersten Klopper, wenn es welche gibt. Bei Windows 11 musste ich nicht lange suchen, Beispiel gefällig?

Bittesehr, schaut euch die Taskleiste an:

Taskleistenanimation: Statischer Fenstertitel
Taskleistenanimation: Fenstertitel nach Verlängerung abgeschnitten

Paint setzt den Fenstertitel direkt beim Erstellen des Fensters („Unbenannt – Paint“) – hier klappt alles. Der neue Editor jedoch (und das machen viele, viele Programme so, Firefox gehört auch dazu) setzt nach Erstellen des Fensters den Fenstertitel nochmals, hier von „Editor“ auf „Unbenannt – Editor“.

Die Länge der Task-Schaltfläche wird aber nur beim Start einmal berechnet und „verlängert“ sich dann nicht mehr. Das ist doch absoluter Pfusch, oder?

Aber – der Reihe nach.

Tatsächlich gehöre ich vermutlich also sogar eher zu den „Late Adoptern“: bei Hardware muss bei mir erst dann etwas Neues her, wenn das Alte die Anforderungen nicht mehr erfüllen kann – sei es Smartphone oder der klassische PC. Bei Software setze ich gerne auf abgehangene, gut getestete Entwicklungszweige als auf Rolling Releases – was nicht heißt, dass ich nicht neueste Distributionen gerne teste, aber mein „Haupt-Linux“ wird immer eine LTS-Version sein.

Es mag an meinem Beruf liegen, aber für mich ist Technik genau dann gut, wenn sie funktioniert und das vor allem zuverlässig, betriebssicher und lange. Wenig fasziniert mich so, wie alte, gut durchdachte und bei guter Wartung auch nach Dekaden noch funktionierende Technik.

„Late Adopting“ kann manchmal viel Frust sparen

Um bei Betriebssystemen zu bleiben: wichtig ist mir, dass bestehende Workflows nicht ohne Not „brechen“ und dass es in der Software keine neuen Automatismen oder geänderte Verhaltensweisen gibt, die potentiell mit meinen Daten irgendetwas tun, was ich nicht kontrollieren kann, oder bei denen ich einfach nicht weiß, was passiert. Ich versuche also immer zunächst, das Verhalten neuer Software- oder Betriebssystemversionen zu erforschen und zu verstehen. Gelingt das und bringt mir die neue Version einen gewissen Benefit, steige ich aber gerne um – mit dem Nebeneffekt, dass ich dann vielleicht auch gleich die „x.1“-Version habe, die die ersten Kinderkrankheiten der neuen Hauptversion ausbügelt.

So habe ich es auch in meiner eigenen „Windows-Historie“ immer gehalten. Wo es mir sinnvoll schien, bin ich umgestiegen – und hey, ich habe sogar dem vielgescholtenen Windows ME eine Chance gegeben und es – da es für mich ausnehmend gut funktioniert hat und gegenüber Windows 98 damals durchaus Vorteile hatte – jahrelang genutzt! ?

  • Windows 95 war das erste Windows mit einem „echten“ Desktop, einer Taskleiste, einem Startmenü, Verknüpfungen, langen Dateinamen usw. – es bildete jahrelang immer noch den Maßstab für alles, was danach kam
  • Die Installation des „Windows Desktop Update“ mit Internet Explorer 4 unter Windows 95, von vielen damals wegen des Ressourcenverbrauchs kritisch beäugt, war für mich absolut zukunftsweisend und führte dazu, dass ich Windows 98 (was eigentlich nicht viel mehr war als ein Windows 95 mit vorinstalliertem IE4 und später IE5) komplett übersprungen habe
  • Das verpönte Windows ME hatte später einen entscheidenden Vorteil, der heute gerne vergessen wird: es war das erste Windows, das „out of the box“ einen universellen Treiber für USB-Massenspeichergeräte drin hatte. Da dies die Zeit der aufkommenden USB-Sticks war, passte das wie die Faust aufs Auge. Bei Windows 98 musste man nämlich noch den jeweils passenden Treiber von der mitgelieferten CD (meist im Mini-Format, erinnert sich noch jemand?) installieren. Von Microsoft selbst gab es nie ein offizielles Update mit einem universellen USB-Mass-Storage-Treiber, erst später, als Windows 98 für die Retro-Community interessant wurde, verbreitete sich ein solcher auf diversen Kanälen.
  • Danach kam bei mir nach einer längeren Testphase, die mich vollends überzeugt hat, das damals wegen der „bonbonartigen“ Optik ebenfalls unter Nerds eher belächelte Windows XP auf den Rechner und blieb dort dann für satte 15 Jahre. Denn XP war der große Wurf von Microsoft: ein „rock-solid“ OS mit echtem NT-Kernel, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte, und das für Consumer! Auch auf meinem damals eigentlich mit Windows ME ausgelieferten Rechner vollkommen problemlos lauffähig, und plötzlich spielte man bei „den Großen“ mit: NTFS-Dateisystem, professionelles Networking, Benutzerrechte und alles, was dazugehört. Und ich war von Anfang an mit der neuen Oberfläche fein (natürlich auf „Silver“ und später dann im schwarz-orangenen „Zune“-Design). Nein, ich gehörte nicht zu den eingefleischten Windows-95/-2000-Ästheten, die Windows XP all die Jahre im „Windows klassisch“-Design betrieben…
  • Als Windows 7 kam, musste sowieso gerade ein neuer Rechner her und ich war sofort damit zufrieden. Man konnte gewisse Dinge so einstellen, dass das Verhalten die bisherigen Workflows gut abgebildet hat und vieles war besser, schneller, schöner. Die Gruppierung auf der Taskleiste konnte abgeschaltet werden und diese auf „kleine Symbole“ gestellt werden – perfekt. Nebeneffekt der neuen Taskleiste war, dass man per Mittelklick auf eine Fensterschaltfläche z.B. ein neues Explorer-Fenster aufmachen konnte – absoluter Zeitsparer!
  • Als Windows 10 kam, hat es auch hier nicht lang gedauert: ich glaube, bereits 2016 war ich überzeugter Windows-10-Nutzer und habe Windows 7 sehr schnell den Rücken gekehrt – anders als viele andere eingefleischte Windows-Nerds. Die kantige, geradlinige, minimalistische und farblich reduzierte Oberfläche von Windows 10 ist in meinen Augen immer noch so ziemlich das schönste, was Microsoft in Sachen GUI-Design je hinbekommen hat.

Dass ich hier Windows Vista und Windows 8 geflissentlich übersprungen habe, bedeutet nun aber nicht, dass ich diese Systeme nicht zumindest probiert hätte. Ergebnis… brauchen wir nicht drüber reden.

Es gab in den 90-er-Jahren mal ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Windows 95: gesehen, gelacht, gelöscht“, getragen meist von Hardcore-DOS- oder Linux-Fans in ihren Informatik-Fachschaften…

Um mir nun ein Urteil zu Windows 11 zu bilden und herauszufinden, ob es (wie schon Windows Vista und Windows 8) einer Neuauflage dieses Shirts würdig wäre, musste es also früher oder später auch mal auf einem meiner Systeme dran glauben. Und so habe ich es – tatsächlich auf meinem Haupt-PC, natürlich mit Image der vorigen Installation – installiert und für ein paar Wochen wirklich produktiv genutzt.

Nach allem, was ich vorher bei kurzem Antesten auf anderen PCs von Windows 11 gesehen hatte, war die neue Oberfläche für mich alles andere als erstrebenswert und auch nicht ästhetisch. Die runden Fenster, die knalligen Farben, die neue bunte Icon-Designsprache – all das spricht mich nicht an. Dass ich so lange gewartet habe, liegt aber auch daran, dass ich Microsoft die Chance geben wollte, nachzubessern, was in den ersten Versionen lauthals kritisiert wurde: vor allem dass man das Startmenü wieder nach links packen und die Fenster in der Taskleiste wieder entgruppieren kann. Das ist ja nun jetzt wieder der Fall.

Windows 11 im Nerdkompatibilitäts-Test

Zunächst mal: es ist nicht alles schlecht, das meiste ist ja auch gar nicht so anders. Mit den richtigen Registry-Tricks bekommt man vieles auch wieder so hin, wie man es als Power-User gewohnt ist und braucht.

Was ich geändert habe:
(Nutzung der .reg-Dateien auf eigene Gefahr)

  • Startmenü / Taskleiste auf linksbündig eingestellt
  • Das klassische Notepad (notepad.exe) wieder mit Textdateien verknüpft (.reg-Datei / .reg-Datei für Undo) anstelle des neuen WindowsAppSDK-basierten, zwar nicht schlecht gemachten, aber prinzipbedingt langsameren Notepad. Ohne den Registry-Hack geht’s übrigens nicht, die Shell erlaubt das Verknüpfen mit notepad.exe sonst nicht und außerdem leitet ein Aufruf von notepad.exe immer auf die neue App um. No-Go im neuen Notepad war für mich übrigens vor allem das nicht abschaltbare Smooth-Scrolling, das bei mir zu Unwohlsein führt. Bei mir muss eine Raste des Mausrads „hart“ um 3 Zeilen scrollen ohne irgendwelche Animationen.
  • Das furchtbar sinnlose, funktional beschnittene neue Explorer-Kontextmenü abgeschaltet und durch das klassische Kontextmenü ersetzt, das man ansosten nur durch Gedrückthalten von Shift oder durch Klick auf „Mehr Optionen“ im Kontextmenü erhält (.reg-Datei / .reg-Datei für Undo)
  • … und diverse weitere GUI-Anpassungen, für die man glücklicherweise keine Registry-Hacks braucht (z.B. den „kompakten Ansichtsmodus“ im Explorer).

Es gibt dann nur noch leichte Unterschiede in der Optik der Shell, die mehr oder weniger Geschmackssache sind, und an die man sich gewöhnen kann.

Einige Dinge aber gibt es, an die ich mich nicht gewöhnen werde, kann oder will, und die für mich auch den Ausschlag geben, Windows 11 vorerst nicht weiter zu benutzen, bis diese gefixt sind. Hauptsächlich geht’s wirklich um die Taskleiste.

Die Taskleiste: hier liegt der Hund begraben

Diese wurde von Grund auf neu entwickelt, so wie es aussieht ohne jemals den alten Code angeschaut zu haben. Wo wir wieder beim Thema Revolution oder Evolution sind. Denn das Verhalten der Taskleiste wurde in den letzten Versionen von Windows seit Windows 95 eigentlich stetig verbessert:

  • Was immer schon ging (seit Windows 95): die Taskleiste lässt sich vergrößern und verkleinern und an alle 4 Bildschirmränder ziehen
  • Ebenfalls von Anfang an dabei war das Feature, ein Objekt auf die Taskleisten-Schaltfläche eines gerade nicht sichtbaren (z.B. verdeckten oder minimierten) Fensters zu ziehen, dort kurz zu verweilen, woraufhin das Fenster automatisch in den Vordergrund geholt wird, und das Objekt dann in dem gewünschten Fenster abzulegen
  • Seit Windows 95C bzw. Windows 95 mit installiertem Internet Explorer 4 mit „Windows Desktop Update“ kann man durch Klick auf die Schaltfläche des aktiven Fensters in der Taskleiste dieses minimieren, und so quasi „togglen“, ob ein Fenster sichtbar sein soll oder nicht
  • Ebenfalls seit dieser Zeit gibt es die Möglichkeit, Schnellstartverknüpfungen in einem eigenen Symbolleistenbereich zur Taskleiste hinzuzufügen
  • Seit Windows XP gibt es die Möglichkeit der Gruppierung von gleichartigen Fenstern – immer aber mit der Möglichkeit, dies auch abzuschalten
  • Seit Windows 7 ist es möglich, durch Mittelklick auf ein offenes Fenster in der Taskleiste ein zweites gleichartiges Fenster (z.B. Windows-Explorer) zu öffnen

Und all das wurde nun über den Haufen geschmissen und ein vermutlich ganz neues Team an Entwicklern muss nun Features neu implementieren, von denen es selbst keine Ahnung hat, dass es sie mal gab – man scheint jedenfalls mit den „Senior-Devs“ nicht wirklich viel gesprochen zu haben, genausowenig wie mit Power-Usern.

Leider gibt es daher folgende Bugs bzw. fehlenden Funktionen, die für mich No-Gos darstellen:

  • Die Taskleiste lässt sich nicht auf die seit Windows 95 bekannte, ursprüngliche Größe (16×16-Icons) verkleinern. Man muss mit den seit Windows 7 etablierten riesigen Symbolen vorlieb nehmen
  • Das System-Tray kann nicht mehr so eingestellt werden, dass immer alle Symbole angezeigt werden – also auch neu hinzugekommene Symbole neu installierter Programme. Zwar war es schon seit Windows XP so, dass standardmäßig nur die Symbole angezeigt wurden, die man entsprechend konfiguriert hat – alle anderen wurden in ein „Überhangmenü“ mit einem Pfeil-Icon verbannt. Bis Windows 10 jedoch gab es eine Option, dieses Verhalten abzuschalten. Als Entwickler, der Programme testet, die solche Icons anlegen und entfernen, ist es wichtig, dass man immer sieht, ob das Erzeugen eines solchen Tray-Icons nun funktioniert hat oder nicht, oder ob ein entsprechendes Programm noch läuft oder nicht.
  • Immerhin kann seit Windows 11 22H2 die Taskleiste so eingestellt werden, dass die Fenster nicht mehr gruppiert werden und auch die Titel der Fenster angezeigt werden. Dies ist jedoch miserabel implementiert: Die Fensterschaltflächen haben keine einheitliche Größe mehr, sondern werden so breit wie ihr Titel dargestellt – mit einer Maximallänge. Allein das bringt schon optische Unruhe herein. Schlimmer aber: Fenster, die zur Laufzeit ihren Titel verändern, wachsen oder schrumpfen somit unvermittelt, was auch zu potentiellen Fehl-Klicks führen kann. Und des nicht genug: es ist auch noch fehlerhaft implementiert. Verkürzt ein Fenster zur Laufzeit seinen Titel, schrumpft die Schaltfläche. Verlängert es den Titel, wird die Schaltfläche aber nicht mehr länger. Der Text erscheint abgeschnitten. Besonders blöd ist das bei Programmen, die ihren Fenstertitel erst einige Millisekunden nach dem Start setzen, weil sie z.B. ein Default-Dokument nachladen o.ä. – hier wird u.U. gar kein Titel angezeigt, weil beim Erstellen des Fensters dieser kurzzeitig leer war. Die Illustrationen zu Beginn des Artikels verdeutlichen das Problem.
  • Drag-and-Drop auf die Taskleiste – also auch der Mechanismus, um Dokumente zwischen Fenstern, die minimiert sind, auszutauschen – funktioniert nicht mehr, wenn UAC komplett deaktiviert ist. Das liegt daran, dass die Taskleiste das WinAppSDK verwendet, welches Probleme mit Drag&Drop mit erhöhten Benutzerrechten hat. Ich möchte nicht darüber diskutieren, ob es gut ist, UAC zu deaktivieren – es gibt Situationen bzw. Arbeitsumgebungen, wo es nötig ist und unter Windows 10 war ein Arbeiten damit problemlos möglich, auch mit allen Interaktionen auf der Taskleiste.
  • Die Lautstärkeregelung zeigt keinen numerischen Wert mehr an und der ganze „Infobereich“ rechts unten wirkt optisch unaufgeräumt.

Es ist nicht alles schlecht

An alles andere, auch das viel schlechtere Startmenü (hey, die Kacheln von Windows 10 fand ich echt nicht schlecht, konnten durchaus informativ sein!), der aufgeblasene Explorer, die bunten Icons, die etwas komisch abgerundeten Titelleisten usw. sind Dinge, mit denen ich leben kann und an die ich mich sogar gewöhnen könnte. Es gibt sogar einen Punkt, den ich bei Windows 11 schöner finde: die neuen Fenster-Minimier/-Maximier-Animationen find ich sehr gut gelungen und viel dynamischer als bei Windows 10. Und die farbliche Hinterlegung der Desktop-Icons bei Mouse-Over (nur heller, statt ins Bläuliche verfärbt) ist auch schöner geworden.

Und immer wieder: die Taskleiste – ohne sie ist alles nichts

Aber die furchtbare Implementierung der Taskleiste ist es, die mich wirklich absolut davon abhält, Windows 11 produktiv zu nutzen, jedenfalls, solange Microsoft das nicht fixt. Ich verstehe nicht, wie so ein existentieller, zentraler Teil der Benutzeroberfläche so ohne Not über den Haufen geschmissen und wirklich halbherzig neuimplementiert werden kann, und das ganze dann auch noch durch die Qualitätskontrolle kommen kann. Das Windows App SDK, auf dem die neue Taskleiste beruht, ist – wie der Name schon sagt – der aktuelle Weg, schnell schöne Apps für Windows zu bauen. Das neue Terminal ist ein tolles Beispiel dafür. Aber die Taskleiste ist nun einmal keine App, sondern ein zentraler Bestandteil der Benutzeroberfläche. Die soll bitteschön eine native Win32/Win64-Anwendung bleiben, die schnell und effizient ist – sonst nix.

Ich werde jedenfalls jetzt erstmal wieder umsteigen und Windows 10 so lange nutzen, wie es sicherheitstechnisch irgendwie geht (ich tippe darauf, dass Microsoft wegen der nach wie vor riesigen Verbreitung von Windows 10 bei wirklich kritischen Sachen auch nach Ende 2025 noch Updates herausgeben wird – auch an die Öffentlichkeit. Wegen Verträgen mit Großkunden mit LTSC-Versionen müssen sie diese bis mindestens Ende 2029 ohnehin noch erstellen). Aber ich habe, wie viele andere, ein Auge darauf, ob Microsoft sich irgendwann der Versäumnisse in Windows 11 doch noch annimmt. Dann können wir weiter reden.

Oder – ja, oder es gibt bis dahin doch ein Windows 12, das genau diese Fehler in Angriff nimmt. Dann wäre die Welt wieder in Ordnung: die Regel, dass jede zweite Major-Version von Windows unbenutzbar ist, hätte sich wieder erfüllt. Und für Windows 11 könnte das T-Shirt gedruckt werden: „Windows 11 – gesehen, gelacht, gelöscht“.

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Elektronik Projekte Tech Story

Bordcomputer nachrüsten beim Seat Ibiza 6J – geht doch!

Multifunktionsanzeige beim Seat Ibiza 6J (Anzeige: Durchschnittsverbrauch)

Direkt-Link zur bebilderten Einbauanleitung (PDF)

Tech Story

Als ich vor mittlerweile mehr als zwei Jahren mein neues Auto, einen Seat Ibiza 6J, bestellt habe, hab ich auf ein angebotenes „Extra“ verzichtet, das mir mit 300 Euro doch etwas teuer schien: Den „Bordcomputer“, im VAG-Jargon „Multifunktionsanzeige“ genannt. Den gab’s vor allem nur in Verbindung mit dem Tempomaten, den ich nun wirklich nicht zu brauchen glaubte (wobei ich dessen Abwesenheit mittlerweile sogar schade finde, man wird halt bequem… ;-).

Jedenfalls habe ich auf beides verzichtet und konnte damit auch gut leben, denn damals war allein schon die Anwesenheit einer Digitaluhr und eines Drehzahlmessers ein riesiger Fortschritt gegenüber meinem B-Corsa, den ich vorher fuhr.

Bis ich mehr oder weniger aus Zufall Einblick in einen Stromlaufplan eines VW Polo 6R (gleiche Plattform wie der Seat Ibiza 6J) erhielt, jedenfalls in den Teil, der sich mit der Multifunktionsanzeige (MFA) befasste. Da traute ich meinen Augen nicht: Alles, was die Multifunktionsanzeige an Hardware-Teilen ausmachte, waren im Grunde drei Taster sowie die drei zugehörigen Drähtchen, um diese an das Kombiinstrument (Tacho) anzuschließen – insgesamt alles Pfennigsartikel, vor allem im Hinblick darauf, was dieses Extra ab Werk kosten sollte!

Von da an war mir klar, das muss ich haben. Vorher war ich nämlich irgendwie davon ausgegangen, dass die ganzen Werte, die der Bordcomputer anzeigen kann (wie Momentanverbrauch, Durchschnittsverbrauch, Restreichweite etc.) auf Daten von Sensoren beruhen, die einfach in Autos ohne MFA nicht verbaut sind.

Ich war aber nun ja eines besseren belehrt und wusste: Die nötigen Daten sind alle auf dem CAN-Bus A (Antriebsstrang) vorhanden, an welchen auch das Kombiinstrument angeschlossen ist und von wo es auch z.B. die Drehzahl für den Drehzahlmesser her bekommt.

Oder im Klartext: Mein Auto berechnete von Anfang an die Werte für den Momentan- und Durchschnittsverbrauch, Reichweite, Durchschnittsgeschwindigkeit usw. – und zeigte sie mir nur nicht an! Was mir fehlte, war im Grunde bloß die Wippe, um zwischen den Werten umzuschalten. Bei mir stand in der entsprechenden Zeile des Kombiinstruments immer nur statisch die Außentemperatur.

Also habe ich Teilekataloge gewälzt und herausgefunden, welchen Lenkstockschalter ich für mein Modell benötige – Erkenntnis hier: Es gibt nur wenige Modelle, nämlich die mit MFA-Wippe (am rechten Hebel), die mit GRA-Wippe (Geschwindigkeitsregelanlage, „Tempomat“) am linken Hebel, die mit beiden Wippen, sowie die ganz ohne. Letzterer war in meinem Auto verbaut.
Der richtige Hebel war schnell gefunden, leider ändert der VAG-Konzern sehr häufig die Teilenummern und so fand ich von diesem Hebel mindestens 4 Varianten, einmal mit leicht anderem Design (wurde irgendwann mal geändert), auch die Bedruckung (Schriftart und Symbole) unterscheiden sich leicht. Schlussendlich habe ich das richtige Teil gefunden und direkt bei Seat beschafft, was zwar teurer war als gedacht, aber das war mir der „Spaß“ wert.

Der Einbau gestaltete sich leider auch schwieriger als er hätte sein müssen, das lag aber einzig und allein daran, dass sich mein Seat-Autohaus mehr als ungeschickt angestellt hat. Mehrfach wurden Stecker nicht richtig aufgesteckt, daher erkannte die Wegfahrsperre den Schlüssel nicht mehr, verschiedene Codierungen wurden zuerst falsch gesetzt etc. – am Schluss hat zwar alles funktioniert, ich kann aber nur jedem raten, der es sich zutraut: Macht es selbst. Es ist billiger und wahrscheinlich sogar stressfreier – in meinem Fall wäre es das auf jeden Fall gewesen. Nur das mit dem Lenkrad abbauen hatte ich mir nicht zugetraut (allein schon weil mir der VW-Spezial-„Innenvielzahn“ dafür gefehlt hat), als ich aber gesehen habe, mit wie wenigen Handgriffen der Mechaniker bei Seat das erledigt hat, kann ich auch nur sagen: Wer keine zwei linken Hände hat, sollte das ohne Probleme hinbekommen.

Langer Rede kurzer Sinn: Nun habe ich endlich eine funktionierende Multifunktionsanzeige (siehe Foto) und bilde mir sogar ein, durch die Anzeige des Momentanverbrauchs meinen „Gasfuß“ besser auf das Auto abstimmen zu können und sparsamer zu fahren.

Nun will ich aber auch endlich zu dem kommen, was ich eigentlich mitteilen wollte, nämlich was man denn nun tun muss, um auch in den Genuss der MFA zu kommen. Nur den neuen Lenkstockhebel einbauen ist nämlich nicht alles, denn leider spart VW an jedem Cent und hat im Kabelbaum zwischen Lenkstockschalter und Kombiinstrument die drei Drähtchen für die MFA-Bedienung (Wippe hoch, Wippe Runter, Reset-Taste) tatsächlich weggelassen, wenn man keine MFA ab Werk hat. Außerdem muss noch die Multifunktionsanzeige im Kombiinstrument per Codierung freigeschaltet werden, das dauert jedoch, wenn man es richtig macht, nur 3 Minuten.

Also, erstmal zu den benötigten Teilen: als wichtigstes Teil wäre da natürlich der neue Lenkstockschalter.

Wer keine GRA (Tempomat) besitzt, benötigt folgendes Teil (Lenkstockhebel mit MFA, jedoch ohne GRA):

7H0 953 513 A

Bei VAG wurde diese Nummer mittlerweile zunächst durch die

7H0 953 503 GC

und später durch die

7H0 953 513 L

ersetzt. Die ersten beiden Nummern habe ich nur angegeben, damit ihr danach bei eBay suchen könnt, wo es diesen Hebel in verschiedenen Varianten noch gibt.

Wer bereits eine GRA (Tempomat) hat, braucht eine andere Teilenummer, in Foren liest man hierzu oft die

7H0 953 513 C

die allerdings auch schon ersetzt wurde. Euer VW/SEAT-Händler wird euch die aber sicher raussuchen können.

Übrigens: Das Ganze gilt auch für den VW Polo 6R, der ja, wie oben schon angesprochen, dem Seat Ibiza 6J ziemlich ähnlich ist. Hier sind nur die Teilenummern der Lenkstockschalter anders, im Prinzip müsst ihr nur aus dem „7H0“ vorne ein „6R0“ machen. Fragt im Zweifel aber nochmal bei VW nach. Übrigens: Passen tun beide, sie haben nur, wie oben erwähnt, leicht anderes Design und ’ne andere Schriftart. Mechanisch und elektrisch sind sie kompatibel. Wer sich also daran nicht stört, hat bei eBay ne größere Auswahl…

Außerdem braucht ihr noch 3 Kabel zur Herstellung der Verbindungen zu den Tastern (siehe unten). Für die Herstellung der Verbindungen bieten sich die VAG „Reparaturkabel“ (Einzelleitungen) mit Teilenummer 000 979 009 (A) an. Das A steht hier nur für „mit Goldkontakten“, und das ist an der Stelle recht egal.

Zum eigentlichen Einbau des Lenkstockhebels (damit verbunden ist ein Ausbau des Lenkrads) will ich mich gar nicht groß auslassen, dazu gibts sehr schöne Anleitungen im Internet. Gleiches gilt für den Ausbau des Kombiinstruments. Hier nur noch die Angabe, welche Pins am Lenkstockhebel mit welchen Pins am Kombiinstrument verbunden werden müssen (siehe auch Stromlaufplan):

Pin 24 am Stecker des Lenkstockhebels (T41) mit Pin 21 am Stecker des Kombiinstruments (T32),
Pin 23 am Stecker des Lenkstockhebels (T41) mit Pin 22 am Stecker des Kombiinstruments (T32),
Pin 18 am Stecker des Lenkstockhebels (T41) mit Pin 23 am Stecker des Kombiinstruments (T32).

Dazu einfach die entsprechenden Enden der „Reparaturkabel“ in die Kammern der Steckerblöcke stecken, dabei drauf achten dass sie fest sitzen und ihr euch bei den Pin-Nummern nicht verzählt. Vor allem beim Stecker T41 ist das etwas knifflig, da einige „Lücken“ mitgezählt werden und andere nicht, außerdem beachtet, dass die oberste Reihe (Pins 1-14) nicht direkt an den Lenkstockschalter selbst gehen, sondern an die auf den Schalter aufgesteckte „Wickelfeder“ (nichts anderes als ein aufgerolltes Flachbandkabel im Plastikgehäuse, das den Airbag versorgt, und natürlich drehbar sein muss). A propos Wickelfeder: Achtet drauf, die beim Ausbau des Lenkrades nicht zu verdrehen, denn wie gesagt, da drin ist ein Flachbandkabel, das von der Mittelstellung aus genau eine Umdrehung nach rechts und eine Umdrehung nach links ab- bzw. weiter aufgewickelt werden kann. Vertut man sich da um eine Umdrehung, ist das Kabel beim nächsten Einschlagen des Lenkrads ganz schnell putt, der Airbag funktioniert nicht mehr und das will ja keiner… Außerdem enthält das Gehäuse der Wickelfeder auch den Lenkwinkelsensor, der dem ESP den aktuellen Einschlag mitteilt. Dreht man zu viel da dran rum, so muss man nach Einbau des Lenkrads hinterher die „Grundeinstellung Lenkwinkelsensor“ durchführen, was auch kein Beinbruch ist, aber nervig ist. Spätestens dann müsst ihr in die Werkstatt, sonst meldet das ESP-Steuergerät laufend Fehler. Tipp: Wickelfeder mit nem Stück Tesa fixieren, solang das Lenkrad ab ist.

Ist alles verbunden und umgekehrt wieder eingebaut, müsst ihr noch im Kombiinstrument die Multifunktionsanzeige freischalten. Macht das entweder beim freundlichen VW- oder Seat-Händler um die Ecke, oder sucht euch jemanden mit VCDS in eurer Nähe.

Folgende Codierung muss geändert werden:
Steuergerät:  Adresse 17 – Schalttafeleinsatz (Kombiinstrument, „KOMBI“)
Zu änderndes Bit:  Byte 1, Bit 3 muss auf „1“ gesetzt werden.

Beispiel anhand meines Autos:
Alte Codierung = 110200, neue Codierung = 110A00

Ja, das war’s auch schon! Klingt alles furchtbar kompliziert, ich würde aber sagen, wenn man mit Ruhe dran geht und es noch nie gemacht hat, sollte man es trotzdem innerhalb einer Stunde schaffen. Ich möchte zum Schluss noch darauf hinweisen, dass ihr alles, was ihr an eurem Auto schraubt oder sonstwie verändert, allein auf eigene Gefahr geschieht. Ich übernehme keinerlei Haftung für Schäden oder sonstige Folgen, die aus dem (richtigen oder falschen) Befolgen dieser kleinen Anleitung entstehen. Bitte lasst es im Zweifelsfall lieber beim „freundlichen Seat-Händler“ machen. Die ganze Anleitung habe ich übrigens auch für das Seat-Forum (Link zum Thread) als bebildertes PDF (Direkt-Link) zusammengefasst.

So viel von mir zum Wochenende – jetzt viel Spaß beim Basteln und allzeit gute Fahrt!

Viele Grüße
Fabian

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Elektronik Gesellschaft Hard- & Software Tech Story

Warum Teletext auch 2011 nicht totzukriegen ist…

ARDText (Quelle: Wikipedia)

Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, wie absurd die schiere Existenz von Teletext heutzutage ist?

Ursprünglich als Erweiterung des Fernsehsignals um Zusatzinformationen gedacht und in „sowieso nicht genutzten“ Stellen des Videosignals übertragen (nämlich in der vertikalen Austastlücke, auch VBI genannt), gibt es heute in der gesamten Signalkette zwischen der Person, die den Teletext redaktionell und technisch erstellt und derjenigen, die sie zu Hause am Fernseher konsumiert, praktisch keine Stelle mehr, an der er wirklich in der vertikalen Austastlücke irgendeines Videosignals (und somit quasi „nebenher“, ohne zusätzlichen Aufwand) transportiert würde!

Ja! (Keine Angst, es folgt jetzt kein grundsätzliches Plädoyer gegen Teletext oder so…)

In den Sendeanstalten ist es seit der Umstellung auf HDTV und damit der flächendeckenden Verwendung sogenannter HD-SDI-Signale im Funkhaus gar nicht mehr (standardkonform) möglich, Teletextsignale oder überhaupt „Datenzeilen“ im klassischen Sinne in das Videosignal zu insertieren, schlicht weil es dafür keinen Standard gibt. Nicht, dass es nicht möglich wäre („Bits übrig“ sind massig im HD-SDI-Signal und für alle möglichen Arten von Timecode, Ton, Beschreibung des Bildformates etc. gibt’s auch Standards, wo im Signal man die nun unterzubringen habe – nur für klassische SD-VBI-Daten noch nicht). Also wird in den Sendern der Teletext per Netzwerk (jawohl!) übertragen, oder, noch schlimmer: alleine für diesen Zweck existiert ganz einfach noch eine analoge SD-Videostrippe die „nebenher“ läuft und nur die Zeilen der Austastlücke quasi „zum Sendemast“ transportiert. Da gehts dann nämlich erst richtig los:

Auf dem digitalen Übertragungsweg (DVB-S/S2, DVB-T/T2, DVB-C/C2) gibt es nämlich schon lange vor HDTV, seit mindestens 10 Jahren, keine vertikale Austastlücke mehr. Stattdessen müssen die Daten, die dort zu analogen Zeiten übertragen worden wären, umständlich in digitale Datenpakete „umverpackt“ und als extra Datenstrom mit eigener „PID“ (Program ID) gesendet werden.

Und schlussendlich gibt es, seit sich HDMI als Verbindung zwischen Receiver und Fernseher gegenüber SCART durchgesetzt hat, auch gar keine Möglichkeit mehr, die Teletextdaten an den Fernseher zu übertragen, schlicht weil es in HDMI ebenfalls keine „Austastlücke“ mehr gibt!

Sprich: Der Receiver selbst muss den Teletext dekodieren und quasi „als Bild“ anzeigen, was dann auf dem Fernseher sichtbar wird.

An der ganzen Kette ist also praktisch nichts mehr so wie früher, es ist ein wildes Hin- und Her-Ge-„wrappe“ von Datenströmen, um immer der jeweils nächsten „Schicht“ die „alten Verhältnisse“ vorgaukeln zu können (JA, klar: es ist möglich – und viele Receiver machen das auch – , aus dem ganzen Teletext-Strom wiederum – ja, jetzt wird’s traurig – analoge Daten-Videozeilen zu generieren, die dann am SCART-Ausgang wieder in die Austastlücke eingetastet werden). Damit Omas Röhrenfernseher mit Teletextdekoder alles so vorfindet, wie vor 30 Jahren…). OK, ganz so dumm ist die Sache mit der Kompatibilität ja auch gar nicht – wird ja auch anderswo gemacht, schließlich ist so ein Videosignal auch heute noch zu Schwarz-Weiß-Fernsehern kompatibel

Auf der anderen Seite hatten es Nachfolgeangebote wie MHP, DigiText, intercast, Zap2Web und wie sie alle hießen, nie eine Chance sich durchzusetzen. Und das, obwohl sie grafisch und technisch viel ansprechender sind, als der Teletext, den damals die BBC im Jahre 1976 erfunden hat und der heute ja im Prinzip noch genau so aussieht.

Ich frage mich: Warum? Auch so, wie es jetzt ist, ist eigentlich nichts mehr „wie es war“ und über all die Jahre wurde mannigfaltig neuimplementiert (z.B. Routinen, um aus analogen Teletextzeilen die Daten für die DVB-PID zu machen; Routinen, um das ganze wieder aus einem DVB-Multiplex rauszuextrahieren, zu dekodieren und als Bild zu „zeichnen“, damit man es am ultramodernen Flachbildfernseher über HDMI auch ansehen kann).

Keine Angst, das hier soll – immer noch – kein Plädoyer gegen den guten (?) alten (!) Teletext sein, er hat sicher seine Berechtigung, zumindest gehabt. Dennoch: wir haben heute überall und immer Internetzugang. Wäre es nicht sinnvoller, auf das ganze Teletext-Geraffel ein für alle mal zu verzichten, spätestens jetzt, wo fast alle neuen Fernseher sowieso einen LAN-Anschluss haben?

Oder, wenn man denn unbedingt mit dem Fernsehsignal Zusatzdaten übertragen will: Doch mal umzustellen auf was HTML-basiertes an Stelle des antiquierten 40-Zeichen-24-Zeilen-Bildschirmtext-Standards (CEPT)? Wenn ja doch – ich wiederhole mich wieder – sowieso an keiner Stelle der Signalkette mehr der Teletext so übertragen wird wie früher, also im Videosignal „inhärent“ und ohne dabei Aufwand zu verursachen?

Stattdessen dieser Tage extra LAN-Infrastrukturen in den Sendern geschaffen werden müssen, nur um die paar Bits/s zum Sendemast transportieren zu können…

Es kostet den Gebührenzahler eigentlich „unnötig“ Geld, wenn die Anstalten – nur für diesen Service! – beim HD-Umstieg ganzer Sendeabwicklungen allerlei technische Klimmzüge machen müssen, nur um auch im Jahre 2011 noch Klötzchengrafik in die Wohnzimmer bringen zu können! (Ich mag sie trotzdem, die alte Klötzchengrafik, ja…)

Wie auch immer, ich schätze wohl, dass jegliche Elaboration gegen Teletext (was das hier wirklich nicht sein soll!) bei eingefleischten Teletext-Fans ohnehin auf Granit stoßen wird: Die würden auch wenn nur für Teletext eine DSL-Leitung zusätzlich zum HD-Sat-Receiver ins Haus gelegt werden müsste, nicht drauf verzichten wollen. Und dann den Web-Teletext auf www.tagesschau.de oder www.zdf.de aufrufen…

Daher: keine Sorge, den Teletext wirds wohl (zum Glück oder leider?) auch in 10 Jahren noch geben. Mindestens.

[Update: Für alle, die auch die Bits & Bytes „hinter“ Teletext verstehen möchten, habe ich ein paar Details zu den technischen Hintergründen von Teletext zusammengetragen, und zwar im Artikel „Teletext wirklich verstehen“, der ab sofort im Bereich „Texte“ zu finden ist.]