Wenn ich mir das so ansehe, was da für das neue virtuelle Studio des ZDF geplant ist, werde ich etwas nachdenklich. Aus vielerlei Gründen. Aber – vielleicht der Reihe nach…
Worum geht es?
Das ZDF hat in den vergangenen zwei Jahren ein ca. 30 Millionen EUR teures, virtuelles Nachrichtenstudio auf den Lerchenberg gestellt. Ich frage mich angesichts dieser doch immensen Summe, ob so etwas wirklich nötig ist (ohne hier eine GEZ-Diskussion anzetteln zu wollen). Ich möchte vielmehr aus ganz anderen, teils persönlichen, teils gesellschaftlichen Gründen auf die Sache blicken.
Was war denn so falsch am alten Studio? Ich fand, das 2001 mit dem „neuen“ ZDF-Logo eingeführte heute-(Studio)design mit dem blau-orangen Hintergrund hat etwas Seriöses und dennoch Frisches und Modernes. Dabei vermitteln die Holzpaneelen im Hintergrund irgendwie sowas wie einen „ruhenden Pol“. Nun, das ist meine persönliche Meinung und natürlich Geschmackssache, aber mir hat die alte Deko und überhaupt die alte N (das alte Studio) sehr gut gefallen.
Grüne Hölle
Ein „Tapetenwechsel“ wäre aus meiner Sicht nicht nötig, aber er kann ja manchmal auch nicht schaden. Ein Redesign – warum nicht, dachte ich zunächst, bevor die Pläne für das virtuelle Studio standen (ja, man dachte zunächst tatsächlich über ein einfach nur größeres, aber „normales“ Studio nach). Als dann stattdessen die viel teuere grüne Hölle gebaut wurde, fürchtete ich schon, dass das Design, da virtuell, ganz sicher nicht mehr so seriös wirken kann wie früher. Stattdessen stellt man sich in eine Reihe mit Pro7, SAT.1, N24 und Co. – so meine Befürchtungen.
Das virtuelle Studio – selbst, wenn technisch noch so perfekt realisiert (und das ist es, davon muss man angesichts millionenteurer VizRT-Rechner schon mal ausgehen) – wird nie so aussehen wie das Signal einer guten Kamera; die Moderatoren werden immer „reingestanzt“ / „gekeyt“ aussehen. Hätte man doch lieber das viele Geld in noch bessere Kameras und noch besseres Audioequipment gesteckt (m.M.n. eh wichtiger als das Bild des Studios). Aber gut. So sei es. Aber wenn man sich jetzt mal die Begründungen anschaut, wozu das neue Virtuelle gut sein soll, wird einem übel: Man will mehr „Erklärstücke“ in einem 3-dimensionalen „Erklärraum“ bringen.
Der allgegenwärtige Erklär-Overkill
Ja, und das war für mich der Auslöser, diesen Artikel überhaupt anzufangen. Diese Erklärerei. Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, die – so paradox es klingt – das „gemeine Volk“ (den Fernsehzuschauer) weniger bildet denn nach und nach verdummen lässt. Überhaupt begegnen uns heute im Leben immer mehr Hinweise, Schilder, Warnungen, Tipps und Tricks und derlei mehr, die uns doch ja vor den Unbilden des harten Lebens schützen und uns vor aber auch wirklich allem vorwarnen sollen.
Dass ein Kaffeebecher heiß ist, sollte einem der gesunde Menschenverstand sagen und nicht eine Aufschrift auf dem Becher. Wonach ich suchen will, sollte ich mir überlegt haben, bevor das AutoComplete von Google zuschlägt. Dass „Objekte“ im Rückspiegel näher sein können als sie erscheinen, sollte ich in der Fahrschule gelernt haben und muss es nicht in Form eines dämlichen Warnsatzes auf dem Spiegel lesen. Und: Wenn ich etwas in den Nachrichten sehe, das mich interessiert, das ich aber nicht ganz verstehe, dann sollte ich mich hinsetzen und recherchieren (das steht ja jedem (noch) frei), anstatt zu warten, dass Madame Slomka mir in einem auf die Schnelle hingeklatschten (freie Übersetzung von „rapid prototyping“) 3D-Erklärraum die „Wahrheit“ in Form von Hintergrundinfos zu dem Thema erklärt.
Diese Erklärstücke werden sachlich bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt sein, da könnt ihr euch ganz, ganz sicher drauf verlassen. Denn wenn die heute und das journal auch nur einen Funken ihrer Aktualität behalten wollen, dann werden sie die Erklärstücke wirklich lieblos machen. Wirklich lieblos. Und ich glaube jeder von euch, der sich in einer Materie X gut auskennt, kennt das unbefriedigende Gefühl, das ein jeder Fernsehbeitrag über Thema X hinterlässt und das mitunter an „Da! Sie desinformieren wieder gezielt die Öffentlichkeit!“ grenzt.
(Spinnerter Gedanke von mir: Fehlt nur noch, dass Markus Lanz die Erklärstücke moderiert. Ihr wisst schon, der, der nach jedem Satz an den TV-Zuschauer in die Kamera nickt, als spräche er mit einem 2-Jährigen).
Nachrichten oder Magazin?
Der nächste Schritt wäre dann die Zusammenlegung von „hallo deutschland“ mit „heute“, dann könnten sie aber auch auf Aktualität verzichten und alles zu einer großen Magazinsendung machen.
So, ich weiß, dass ich jetzt etwas abgeschweift bin, aber genau diese Gedankengänge gehen mir durch den Kopf, wenn ich an das neue Studio denke. Dass ganz nebenbei natürlich Personal eingespart wird (das Wort „Roboter“ sagt alles…), ist dabei nur einer der Punkte… OK, ich komme zum Schluss. Vielleicht noch die aktuellen Fakten: Am 17.07.2009 soll das Studio mit der 19:00-heute auf Sendung gehen, heute lief übrigens der erste Trailer dazu, im offiziellen ZDF-Vorabendprogramm und mit Anklängen der neuen Musik im Hintergrund (zu der ich mich aber jetzt nicht auslasse, sonst wirds sehr lang). „logo“ und das „heute journal“ sollen irgendwann auch aus der neuen N kommen, aber wahrscheinlich nicht mehr dieses Jahr. Ergänzend zur Überschrift möchte ich mit der Frage schließen: Schnörkelloses Vermitteln realer Nachrichten – eine Idee von gestern?